Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
Spießruten laufen: »Knüpft ihn auf! Zum Teufel mit ihm! USA raus! Scheiß auf Amerika! Abajo !«
Es würde Ärger geben, wenn man die Waffe fand – glücklicherweise hatte ich sie in die Tasche gesteckt. Ich sah Geerlings, als man mich durch das Spalier von Leuten führte. Er befand sich keinesfalls am Rand der Menge: Nein, er war wie Ruby bei der Oswald-Sache. Er stand in vorderster Reihe, aber tat so, als sei er nur ein unbeteiligter Zuschauer – oberclever, und man kaufte es ihm ab. Ich wurde verhört, aber dabei konnte ich ihn dort stehen sehen. Er redete schon wieder mit einem Cop, stellte
Fragen und tat ganz beflissen. Man wollte mich woandershin führen, aber bei erster Gelegenheit trat ich zur Seite. Ich hatte meine Hand an der .25er – mitten unter dreihundert Menschen.
Als ich mich ihm näherte, zog ich – und das war wirklich blitzschnell geschaltet – die Knarre aus der Tasche. Da mich niemand zu beobachten schien, drückte ich ihm die Waffe in die Hand und sagte: »Lauf!«
Einen Sekundenbruchteil lang schien die Zeit still zu stehen, aber dann bahnte er sich den Weg durch die Menge wie ein wilder Stier. Keine Waffe mehr.
Die Verrücktheiten von gestern sind die Beweggründe von morgen
William McKeen: Wenn es um Ihre Person und Ihre Arbeit geht, wird besonders Ihr Drogenkonsum kontrovers beurteilt. Meinen Sie, dass dieser Drogenkonsum von den Medien übertrieben dargestellt wird? In welcher Weise haben sich Drogen auf Ihre Wahrnehmung der Welt und/oder Ihre schriftstellerische Arbeit ausgewirkt? Amüsiert, erzürnt oder langweilt Sie es, wenn Sie von den Medien als »verrückt« dargestellt werden?
Hunter S. Thompson: Ganz offensichtlich hat man übertrieben, was meinen Drogenkonsum betrifft, denn sonst wäre ich wohl schon längst tot. Ich habe bereits den gnadenlosesten Drogenkonsumenten unserer Zeit überlebt – Neal Cassady. Nur noch William Burroughs und ich sind übrig. Wir sind die letzten unverbesserlichen Drogenfreunde, und er ist inzwischen siebzig und behauptet, clean zu sein. Aber er hat sich wenigstens nicht gegen Drogen ausgesprochen wie der verlogene und hinterfotzige Waschlappen Timothy Leary, der seine Gesinnung verraten hat.
(Daniel E. Dibble)
Drogen erhöhen und steigern gewöhnlich meine Wahrnehmungen und Reaktionen, positiv wie negativ. Sie haben mir die Spannkraft und Widerstandsfähigkeit verliehen, mich immer wieder zu erholen, wenn meine unschuldige Zirbeldrüse einen Schock erleiden musste. Allein schon die brutale politische Realität
wäre ohne Drogen unerträglich. Sie haben mir die Kraft gegeben, mit den bestürzenden Realitäten umzugehen, die garantiert jedermanns Glauben an die höheren Werte und idealistischen Parolen des »Amerikanischen Jahrhunderts« erschüttert haben müssen. Jeder, der zwanzig Jahre lang seinem Thema treu geblieben ist – und mein Thema ist nun mal »Der Tod des Amerikanischen Traums« –, braucht alle verdammten Krücken, derer er habhaft werden kann.
Außerdem genieße ich die Drogen. Das einzige Problem, das ich mit ihnen habe, sind die Leute, die sich bemühen, mich von ihnen fern zu halten. Res Ipsa Loquitur . Schließlich war ich letztes Jahr ein Löwe im Reich der Literatur.
Ich wurde von den Medien schon immer auf recht unterschiedliche Weise wahrgenommen. So vielfältig wie die Medien selbst sind. Als Journalist habe ich es irgendwie geschafft, die meisten Regeln zu brechen und dennoch mein Ziel zu erreichen. Das ist heute für die meisten Anfänger und Gesellen in diesem Metier schwer zu verstehen, aber nur deswegen, weil sie es selbst nicht bringen. Die smarten unter ihnen haben es jedoch auf der Stelle kapiert. Mit hervorragenden Journalisten habe ich nie den geringsten Streit gehabt. Ich bin Journalist, und mir ist noch nie eine Sippe von Menschen begegnet, zu der ich lieber gehören würde und in deren Gesellschaft ich mehr Spaß habe – trotz der diversen Nieten und Speichellecker, die es bei der Presse gibt.
Es war keine besonders große Hilfe, während der letzten fünfzehn Jahre der wüste Held in einem Comicstrip zu sein – ein betrunkener Irrer, den man schon vor langer Zeit hätte kastrieren müssen. Die cleveren Medienleute wussten, dass es sich um wirre Übertreibung handelte. Die dämlichen nahmen es für bare Münze und ermahnten ihre Kinder, sich unter allen Umständen von mir fern zu halten. Aber den wirklich smarten war klar, dass es sich nur um eine zensierte und abgeschwächte
Weitere Kostenlose Bücher