Königreich der süßen Versuchung
sicher. Wenn sie erst das Gedächtnis wiedergefunden hätte, dann …
In diesem Augenblick stoppte neben ihnen ein Moped und ein junger Mann in schwarzer Lederjacke und mit einer Kamera in der Hand stieg ab. „Eure Hoheit, ist es wahr, dass Sie verlobt sind?“ Er hatte eindeutig einen französischen Akzent.
Jake stutzte nur kurz. „Ja, es ist wahr“, antwortete er dann lächelnd.
„Darf ich ein Foto machen?“
Fragend sah Jake Andi an. „Was meinst du? Du hast doch nichts dagegen? Schließlich ist das sein Job.“
Das schon … Allerdings fiel es ihr in ihrem verwirrten Zustand schon schwer genug, sich unter die Leute zu mischen. Und dann auch noch ein Foto … Andererseits würde sie durch eine Weigerung nur unnötig Aufmerksamkeit erregen.
„Äh … ja, ist schon in Ordnung.“ Verlegen strich sie sich eine Strähne ihres Haars aus der Stirn.
Der junge Mann machte ungefähr fünfzig Fotos aus allen möglichen Richtungen. Die Kamera mit dem Riesenobjektiv sah beängstigend aus, und Andi war froh, als alles vorbei war. Jake jedoch war die Ruhe selbst und machte sogar noch Vorschläge, in welchen Posen der Fotograf sie aufnehmen könne. Andi warf ihm einen misstrauischen Blick von der Seite her zu. Hatte er dieses Zusammentreffen etwa arrangiert? Und woher wusste der Mann von ihrer Verlobung?
Im Weitergehen nickte Jake immer wieder Passanten zu, die ihn freundlich grüßten und offenbar daran gewöhnt waren, ihren König auf der Straße zu treffen. Auch auf dem Marktplatz warteten schon zwei Reporter auf sie. Die Frau hatte sich ein kleines Mikrofon an ihren Jackettaufschlag gesteckt, und der Mann hielt ein Notepad in der Hand. Auch diese beiden lächelten Jake herzlich an und fragten, ob sie gratulieren dürften. Jake nickte, und Andi gelang es diesmal etwas besser, eine freundliche Miene aufzusetzen.
„Was ist es für ein Gefühl, einen König zu heiraten?“, wandte die Frau sich jetzt an sie.
„Das weiß ich nicht“, erwiderte Andi lächelnd, „denn noch haben wir nicht geheiratet. Nach der Zeremonie kann ich es Ihnen sagen.“
„Und wann wird das sein?“ Fragend sah der Reporter Jake an.
„Das wird offiziell bekannt gegeben. Vorher muss noch einiges geklärt werden. Eine königliche Hochzeit vorzubereiten braucht Zeit.“
„Selbstverständlich“, stimmte die Journalistin zu. „Doch Ihr Versprechen, sich eine Braut vor dem dritten Unabhängigkeitstag zu suchen, haben Sie damit gehalten.“
„Ja. Das Volk von Ruthenia weiß, dass ich zu meinem Wort stehe.“
Wie? Nur mit Mühe behielt Andi ihre gelassene Miene bei. Er hatte sich in letzter Sekunde mit ihr verlobt, damit er nicht wortbrüchig wurde? Da war sie ihm ja sehr gelegen gekommen! Und sie hatte geglaubt, sie sei ihm wichtig. Zwar stimmte das auch, aber in ganz anderer Hinsicht, als sie gehofft hatte. Jetzt wollte die Frau auch noch den Ring sehen. Nur zögernd zeigte Andi ihn vor. Der große funkelnde Stein war ihr richtig peinlich. Regelrecht protzig wirkte der Ring im hellen Sonnenschein. Nachdem die Reporterin ein paar Aufnahmen gemacht hatte, steckte Andi die Hand schnell wieder in die Manteltasche.
Endlich verabschiedete Jake sich freundlich von den beiden. Und erleichtert stellte Andi fest, dass das Café gleich um die Ecke war. Klein und alt und gemütlich war es und so warm, dass sie ihren Mantel auszog und ihn an einen der altmodischen eisernen Garderobenhaken hängte. „Ich bin nur froh, dass sie mir nicht irgendwelche Fragen gestellt haben, die ich nicht hätte beantworten können.“
„Die Reporter hier sind eigentlich ziemlich zurückhaltend.“ Jake nahm sie bei der Hand und führte sie zu einem Tischchen, das ziemlich verborgen in einer Ecke stand. „Sie wissen genau, dass ich sie in Eisen legen kann, wenn sie sich zu viel herausnehmen.“
In Eisen? Erschreckt sah sie ihn an, aber er zwinkerte ihr fröhlich zu. „Die Presse war sehr hilfreich, als es darum ging, unser verschlafenes Land in das einundzwanzigste Jahrhundert zu katapultieren. Es lohnt sich, sie bei guter Laune zu halten.“
„Aber woher wissen sie, dass wir verlobt sind? Ob diese Maxi sie informiert hat?“ Andi setzte sich auf den weich gepolsterten Stuhl und sah sich neugierig um. Im Kamin brannte ein Feuer, und mit der dunklen Holztäfelung, der niedrigen Decke und dem altmodischen Mobiliar wirkte das Café, als habe sich hier seit 1720 nichts verändert. Was wahrscheinlich auch der Fall war.
„Das glaube ich eigentlich nicht.
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