Königsallee
Turinowa, wenn ich das richtig sehe.«
»Da hat sich der Leibwächter ganz schön verplappert, denn sein Name ist ein Geheimnis, das Wladimir aus guten Gründen streng hütet.«
»Aber warum? Aus welchem Grund geht jemand hinter einem Gefolgsmann wie Karpow in Deckung?«
»Verfügst du über einen Internetanschluss?«
Simone nickte.
»Dann gib mal Wladimir Turin in die Suchmaschine ein.«
Sie sprang auf und ging zu ihrem PC hinüber. Ein Knopfdruck – es dauerte, bis das alte Ding in Gang kam.
Lohmar griff nach seinem Glas und nippte. »Okay, ich bin mindestens zwanzig Jahre älter als du. Und vermutlich erwartest du von einem Partner, dass er seine berufliche Zukunft vor sich hat und nicht schon seinen Rückzug plant.«
»Hör auf, Ulrich, sonst muss ich annehmen, du seiest betrunken.« Sie tippte den Namen in die Maske und klickte auf Suche.
2450 Ergebnisse für Wladimir Turin.
Lohmar blickte ihr über die Schulter. »Es gibt einen gleichnamigen Fechter, der schon tot ist, und einen Skilangläufer, der einige Medaillen gewonnen hat. Zieh die beiden ab und du kommst auf höchstens zwanzig Erwähnungen. Turin legt es nicht auf Popularität an.«
»Wie kann ich die Suche einschränken?«
»Gib Transnistrien als weiteres Stichwort ein.«
Sie kam sich vor wie bei einer Schnitzeljagd. Die Kombination aus Wladimir Turin und Transnistrien ergab nur noch ganze elf Erwähnungen.
»Was ist das für ein Ort?«, fragte Simone.
»Ein kleines Land, das sich beim Zerfall der Sowjetunion infolge eines kurzen, aber blutigen Bürgerkriegs von Moldawien abgespaltet hat. Seit fünfzehn Jahren regiert dort Wladimirs Vater und begreift sich als letzter Nachfahre Lenins. Die Familie handelt mit allem, was sich in dem schmalen Streifen zwischen Dnjestr und ukrainischer Grenze zu Geld machen lässt. Mit den Waffen der dort stationierten russischen Armee beliefern sie sämtliche Bürgerkriegsparteien der Welt. Die Dorfschönheiten verkaufen sie an die Bordelle des Balkans. Inzwischen ist das Land ausgeblutet und hoch verschuldet. USA und EU versuchen, den Schmuggel einzudämmen, und es gibt Bestrebungen zu einer Wiedervereinigung mit Moldawien. Aus diesen Gründen sehen sich die Turins nach neuen Anlagefeldern um.«
»Warum ausgerechnet diese Stadt?«
»Natürlich nicht Düsseldorf allein. Sie senden Späher aus, sondieren die Standortfaktoren.«
»Du meinst, was vor Ort zu holen ist.«
»Auch das.«
»Legal oder auch kriminell?«
»Wladimir Turin hält sich nicht lange mit solchen Unterscheidungen auf.«
»Entzückend. Und bei uns will er richtig klotzen.«
»Darauf kannst du dich verlassen. Ich habe mich selbst gewundert, wie schnell alles in den letzten Tagen ging. Dagobert Kroll hat daran zweifellos einen großen Anteil. Da haben sich zwei Partner gesucht und gefunden.«
Simone hatte sich wieder dem Monitor zugewandt. Eines der Suchergebnisse verwies auf einen Artikel des Berliner Tagesspiegel , etwa zwei Jahre alt. Simone las darin über ein Land, das von keinem anderen der Welt anerkannt wurde, eine eigene Währung besaß und sogar einen eigenen Mobilfunkstandard. Wladimirs Vater: ein Tyrann. Der Sohn: ein Unternehmer, der praktischerweise alles kontrollierte.
… sämtliche Filetstücke gehören dem Magnum-Konzern. Dessen Logo, ein gelber Stern, verdrängt den roten Sowjetstern zunehmend aus dem Straßenbild. Firmengründer ist Wladimir Turin, der nach der Abspaltung vom mehrheitlich Rumänisch sprechenden Moldawien das Kommando über die Polizei übernommen hat, die vor allem durch brutales Vorgehen gegen Oppositionelle in Erscheinung tritt. Zudem leitet Turin das Zollamt und kontrolliert damit jeglichen Außenhandel. Dem Konzern gehören Supermärkte, Tankstellen, eine Mercedes-Niederlassung, Fernsehsender, Zeitungen, das Mobilfunknetz sowie ein Fußballverein, der es bereits in die Qualifikationsrunde zur Champions League geschafft hat …
Lohmar sagte: »Auf einer dieser Internetseiten müsste erwähnt sein, dass Wladimir und sein Vater sowie einige der wichtigsten Magnum-Bosse wegen Bandenkriminalität und alten Bürgerkriegsverbrechen auf der Fahndungsliste von Interpol stehen. Deshalb wird Karpow vorgeschoben, dieser armselige Trottel.«
»Wenn das die Presse erfährt, ist Kroll geliefert.« Simone spürte Lohmars Hände auf ihren Schultern. Sie ließ es zu, dass er sie massierte.
Der Unternehmensberater senkte den Kopf und flüsterte in ihr Ohr: »Mallorca um diese Zeit – ein Traum,
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