Königsallee
Schlepptau.
»Und, Frau Wüpperfürth?«, fragte Reuter.
»Wie gesagt, ich bin mir sicher. Am Freitag war er allerdings ganz in Schwarz gekleidet.«
Koch wurde blass. »Was soll das bedeuten?«
»Dass du Einstein erschossen hast.«
Der Kollege blickte zu seinem Anwalt, dann zur Tür, die auf den Flur führte.
Dort hatte Wegmann Posten bezogen.
Plötzlich hielt Koch eine Pistole in der Hand.
72.
Scholz lehnte an dem dunkelroten Omega, den ihm die Fahrbereitschaft zugeteilt hatte. Marietta ließ auf sich warten. Er war froh, dass sie inzwischen fuhr, ohne zu meckern, und hoffte, dass sie ihn mit dem Unfalltod seiner Tochter in Ruhe lassen würde – er bereute es, ihr davon erzählt zu haben.
Drei Jahre, fünf Monate und vier Tage.
Scholz kontrollierte den Kofferraum – alles drin, was im Ernstfall nützlich sein konnte. Er war gespannt, ob sich seine Vermutung bewahrheiten würde: dass Pascal Frontzeck sich am Samstagnachmittag mit Henrike Andermatt getroffen hatte.
Plötzlich ein Knall – wie der Zusammenprall einer Seifenkiste mit Autoblech. Der Krach fuhr Scholz durch Mark und Bein. Er duckte sich. Sein Puls raste.
Er drehte sich und sah auf: Michael Koch kniete auf dem eingebeulten Dach des Omega und fuchtelte mit einer Waffe – gerade vom Himmel gefallen. Am Fenster über ihnen erschienen verdutzte Gesichter: Engel, Reuter, weitere Kollegen.
»Einsteigen!«, schrie Koch und ließ sich vom Dach gleiten. Der KK-22-Mann verzog das Gesicht, als er auftrat, offensichtlich hatte er sich verletzt.
Scholz gehorchte. Er zitterte noch immer.
Koch ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder und hielt Scholz die Knarre an den Kopf. »Los! Worauf wartest du?«
Scholz drehte den Schlüssel und gab zu viel Gas. Der Motor heulte auf, die Reifen drehten durch. Sein Kopf stieß gegen das Wagendach, das tief eingedrückt war.
»Weiter!«
Sie durchbrachen die Schranke.
»Wohin?«, fragte Scholz und versuchte, sich auf die Straße zu konzentrieren.
»Rheinufertunnel.«
Koch ließ Scholz in nördlicher Richtung abbiegen und gleich darauf die Röhre wieder verlassen. Scharfe Kehre nach links, die Auffahrt zur Kniebrücke.
»Schneller!« Koch tippte mit links eine Nummer in sein Handy und zielte mit der Rechten. »Hallo?«, rief er ins Mobiltelefon. »Ich habe eine Geisel. Klar, ich will zurückhaben, was mir gehört, und natürlich freien Abzug. – Ja, im Austausch kriegst du die Geisel. Aber keine Verfolger, verstehst du? Du ganz allein, sonst gibt’s ein Unglück!«
Scholz fiel es schwer, sich nicht ablenken zu lassen. Stiche in seinem Rücken, weil er geduckt sitzen musste. Es zog und klapperte – die Heckscheibe saß nicht mehr dicht im Rahmen. Um sie herum starker Verkehr auf der dreispurigen Fahrbahn.
Der Wagen rumpelte über eine Bodenwelle. Koch stieß ihm den Lauf der Waffe gegen die Schläfe. »Nächste ab!«
Scholz versuchte, sich mit überhöhter Geschwindigkeit in die rechte Spur einzuordnen, ohne einen Unfall zu bauen. Er hasste es zu fahren – mehr denn je.
»Am Ende wenden und wieder auf die Brücke.«
»Wenden?« Eigentlich ging es hier nur nach rechts oder geradeaus.
»Mach schon!«
Scholz wartete eine Lücke im Gegenverkehr ab, trat das Gaspedal durch und schoss nach links. Haarscharf einer Kollision entkommend, nahm der Omega wieder Fahrt auf.
Scholz schwitzte. Sie rasten die Rampe hoch. Kurs auf die Innenstadt. Plötzlich ein andauerndes Hupen von hinten. Fernlicht im Rückspiegel. Ein Wagen raste vorbei, nur Millimeter zwischen ihnen – Scholz wollte instinktiv ausweichen, doch zur Rechten waren nur das Geländer und der Fluss.
Er trat auf die Bremse. Reifen quietschten. Ein Hupkonzert um ihn herum.
Koch schrie: »Fahr weiter, du Idiot!«
Scholz’ Hände zitterten, obwohl er sich am Lenkrad festhielt. Der verrückte Kollege schoss durch das Wagendach, dann spürte Scholz die Mündung des Laufs über seinem Ohr.
»Tu, verdammt noch mal, was ich sage!«
Scholz legte den ersten Gang ein. Der Omega setzte sich wieder in Bewegung. Hochschalten, behutsames Beschleunigen. Durchatmen.
Dann hatte der Wagen wieder achtzig Sachen drauf und das Gehupe zurückgelassen. Immer wieder blickte Koch nach hinten und kontrollierte, ob ihnen jemand folgte.
Er befahl: »In den Tunnel, jetzt in Richtung Süden.«
Scholz hasste den Kerl, der offenbar nicht wusste, wohin er wollte. Als sie in die Röhre tauchten, überlegte Scholz, wie lange die Kollegen brauchen würden, um einen Fahndungsring
Weitere Kostenlose Bücher