Königsallee
mit dem er nichts zu tun haben wollte.
Scholz stieg aus dem Bett, tastete sich zur Tür und stieß sich das Knie an der Kommode. Im Flur blendete das Tageslicht. Der Hörer stand nicht in der Ladestation, Florian musste ihn verlegt haben. Scholz orientierte sich am Klingeln und fand den Apparat auf dem Sofa.
»Norbert Scholz.«
»Wie hörst du dich denn an?«
»Bettina?«
»Ist Flo bei dir?«
Der Jeansbeutel lag nicht mehr auf der Couch. Sein Besitzer nicht zu sehen. Ein Ruf durch die Wohnung – keine Reaktion. Scholz blickte auf die Wanduhr: Kurz vor halb vier, viel zu wenig geschlafen.
»Ausgeflogen«, antwortete er. »Ich hab ihm die Schlüssel gegeben.«
»Also ist er tatsächlich zu dir gekommen.«
»Warum nicht?«
»Ich hatte es ihm freigestellt. Er hätte auch zu den Eltern seiner Freundin gehen können.«
»Er hat eine Freundin?«
»Ja, Tessa. Nettes Mädchen.«
Scholz erinnerte sich: Wenn das Tessa ist, bin ich nicht da – junges Glück hörte sich anders an.
»Unser Junge entwickelt sich prächtig«, sagte Bettina. »Und ich finde es schön, dass ihr euch wieder vertragt.«
»Solange er nicht wieder kokst.«
»Flo braucht Liebe und Vertrauen.«
»Und ab und zu eine harte Hand.«
»Lass uns jetzt nicht streiten.«
»Du hast recht.« Scholz wunderte sich ohnehin, wie lange sie schon telefonierten, ohne laut zu werden.
Er fragte: »Wie ist es auf Malle?«
»Dem Anlass entsprechend. Die Einäscherung war heute Mittag. Ich habe umgebucht und nehme morgen einen der ersten Flieger. Dann bist du Flo wieder los.«
Scholz lachte. »So fürchterlich ist es nicht mit ihm.«
»Ehrlich?«
»Ja. Bist du deshalb eifersüchtig?«
Sie lachte auch.
»Guten Flug, Bettina.«
»Danke.«
Scholz hörte einen Schlüssel an der Wohnungstür. »Warte!«, rief er in den Hörer.
Florian trottete herein und schleuderte seine Tasche auf das Sofa. Scholz reichte den Apparat weiter.
Während sein Sohn telefonierte, ging er duschen und zog sich an. Als er fertig war, röchelte die Kaffeemaschine und der Junge deckte den Wohnzimmertisch.
»Guten Morgen, Frühstück!«, krähte Florian.
»Morgen ist gut«, antwortete Scholz. »Was ist das denn?«
»Dein Lieblingskuchen.«
Scholz ließ sich nieder und staunte. Aprikose-Quark mit Mandelsplittern – die Stücke hatten beim Transport Schaden genommen, doch dem Geschmack tat das keinen Abbruch.
Mit vollem Mund fragte der Junge: »Warum zieht ihr eigentlich nicht wieder zusammen, Mama und du?«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil ich dann Mamas Wohnung haben könnte.«
33.
Im Fußraum vor dem Beifahrersitz fand Reuter eine Rundumleuchte. Eigentlich kein hoheitlicher Einsatz – egal: Er packte das Blaulicht aufs Dach, knipste es an und raste los.
Gerresheim lag im Osten des Stadtgebiets, fast schon im Bergischen Land. Reuter entschied sich, über Flingern und Grafenberg zu fahren. Zugleich versuchte er, seinen Vater zurückzurufen. Gernot Reuter ging nicht an sein Telefon.
Die ewigen Rivalitätsspielchen – als ginge es von mir aus, dachte Reuter.
Dein Polizistengehabe – und was war mit dem Gehabe eines Starverteidigers?
Reuter schnitt Straßenbahnen, lahme Kleinwagen und Familienvans aus dem Umland auf dem Weg zum Einkaufsbummel. Er ignorierte empörtes Gehupe und legte noch einen Zahn zu.
Edgar war ein Arschloch, aber sein einziger Bruder.
Reuter erreichte die Gräulinger Straße. Ein sechsstöckiger Betonriegel aus den Siebzigern – er nahm die Zufahrt für Ambulanzen und hielt vor dem Haupteingang. Für Rettungsfahrzeuge war noch genügend Platz, entschied Reuter.
Das Foyer schmückte eine Sitzgruppe nebst einem Aquarium, dem er keinen zweiten Blick schenkte. Opas in Bademänteln schlurften durch die Halle und hielten sich an ihren Infusionsständern fest. Reuter war noch nie hier gewesen. Er orientierte sich an der Tafel vor den Aufzügen. Eine Schwangere im Morgenrock lächelte ihn an. Der Aufzug kam und kam nicht. Reuter nahm die Treppe.
Außer Atem erreichte er den Warteraum der Intensivstation. Zwei Typen in Jeansjacken blickten von ihren Kaffeebechern auf. Die Tür zur Station ließ sich nicht von außen öffnen. Ein Klingelknopf – Reuter drückte ihn.
Der Ältere der Jeanskerle sprach ihn an. »Der Bruder?«
Reuter klingelte noch einmal.
»Koslowski und Bader von der Kripo PI Ost. Wir warten darauf, dass die Weißkittel ihn für vernehmungsfähig erklären.«
Bader ergänzte: »Wir drücken ihm die Daumen, dass er …«
Reuter gab
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