Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
die Augen, aber genau wie in den letzten Tagen gelang es ihm nicht recht einzuschlafen. Sein Herz hämmerte unregelmäßig, der Kopf schmerzte schon den ganzen Tag vom Nachdenken, die ewige Erbsensuppe schmeckte ihm noch weniger als sonst und er fühlte sich irgendwie komisch. Ein Schauer, ein beängstigendes, eisiges Frösteln lief plötzlich über seinen Rücken. Er zog die Decke höher über seine Schultern und begann ohne Vorwarnung haltlos zu zittern, während sein Kopf sich zu einem glühenden Ballon aufzublähen schien. Endlich hörte das Zittern auf und er sank in tiefen Schlaf. Als er mitten in der Nacht erwachte, war sein ganzer Körper glutheiß. Er schlug die Decken zurück, aber das Frösteln sprang ihn trotz innerer Hitze an wie ein Tier, das lauernd in der Ecke gelegen hatte. Ihm war entsetzlich elend, sein Körper brannte, obwohl seine Zähne vor Kälte klapperten. Bunte Bilder tanzten vor seinen Augen, während er vor sich hin dämmerte. Auf einmal wurde es blendend hell, die Plane schob sich leicht zur Seite – er hob den Kopf und sah Magdalena in der Sonne lächelnd im Eingang stehen. Er wollte etwas sagen, doch es drang nur Unverständliches über seine Lippen. Sie kam auf ihn zu, neigte sich herab, und er streckte glücklich die Hand nach ihr aus. Da zerfloss ihr Lächeln und wurde zu dem Gesicht von Hans, der sich besorgt über ihn gebeugt hatte. »Malaria«, sagte er zu irgendjemandem, den er nicht erkennen konnte, »da geh ich jede Wette ein! Die verdammten Mücken. Er hat hohes Fieber – wir müssen den Stabsarzt benachrichtigen.« Sein Gesicht verschwamm, zoomte zurück, und die Gestalt wurde breiter und breiter, bis sie den Raum ausfüllte und ihn zu erdrücken drohte. Er rang nach Luft, so sehr beschwerte es seine Brust. In Panik schlug er um sich, schrie so laut er konnte, doch es war nur ein Stöhnen, das über seine Lippen trat. »Jetzt fantasierter auch noch!«, hörte er Hans sagen, bevor ihm schwarz vor Augen wurde.
Im Regimentsgefechtsstand, den man in rasch errichteten Bunkern inmitten der Sümpfe platziert hatte, wartete das Oberkommando nun ungeduldig darauf, dass endlich der Nachschub, die dringend benötigte schwere Munition, Panzer und Raketen ankamen, doch der anhaltende Regen mit seinen immer tiefer werdenden Schlammmassen machte den Transportierenden jeden Kilometer zur Qual. Immer noch sanken graue Regenschwaden in dichten Schleiern vom Himmel und weichten mit ihrer durchdringenden Nässe alles auf: Uniformen, Stiefel und Decken.
Paul lag jetzt im Lazarett und hatte seinen Malariaanfall und das hohe, bedrohlich lange anhaltende Fieber beinahe überstanden. Aber er fühlte sich so matt, so schwach und kraftlos wie noch nie in seinem Leben. Sein Puls raste bei der geringsten Anstrengung. Als er das erste Mal aufstehen wollte, brach sein Kreislauf völlig zusammen, und der Stabsarzt Dr. Müller vermutete einen Herzschaden. Er schüttelte den Kopf. Dieser Mann war beileibe nicht das einzige Malariaopfer, aber was sollte man machen? Seit die Sonne für einige Tage herausgekommen war und eine ungesunde Wärme verbreitete, schlüpften unzählige Larven, die als dichte Mückenschwärme über das sich aufheizende Sumpfgebiet schwärmten. Man konnte ihrer kaum Herr werden, selbst die Netze, die man vor Türen und Fenster spannte, hielten die Insekten nicht ab, einzudringen und durch kaum wahrzunehmende Stiche die oft tödlich verlaufende Krankheit zu übertragen.
»Ich werde dafür sorgen, dass Sie einen Urlaubsschein erhalten, Hofmann. Fahren Sie nach Hause – kurieren Sie sich aus!«, sagte der Arzt mit zusammengezogener Stirn und sah auf den blassen Patienten, der in kurzer Zeit etliche Kilo Gewicht verlorenhatte, herab. »Sie brauchen absolute Ruhe. In dem Zustand können wir hier wirklich nichts mit ihnen anfangen!«
Paul wollte sich mit einem Lächeln aufrichten, doch selbst die kleinste Bewegung verursachte ihm Drehschwindel. »Ich danke Ihnen, Doktor! Mir geht es schon wieder bedeutend besser.«
Der Arzt sah ihn ernst an: »Ich rate Ihnen, schonen Sie sich noch – selbst die geringste Anstrengung kann bei einer neuen Attacke zum Kollaps führen.«
12. Kapitel
V ERZWEIFELTE L AGE
Der Zug ratterte mit monotonem Stampfen über die Gleise, und Magdalena sah im Innern des voll gepfropften Waggons in die vorbeifliegende Landschaft hinaus. Die Luft war stickig, Kinder schrieen, saure Essensgerüche von ausgepackten Broten mischten sich mit Schweiß und ungelüfteten
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