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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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setzen. Ihr hellblaues Kleid mit weißem Kragen und passender Strickjacke, das sie für die Reise gewählt hatte, war zerknittert und wies bereits mehrere Schmutzflecken auf. Das blonde Haar trug sie hochgesteckt, damit es ihr in der stickigen Luft nicht am Nacken klebte. Obwohl Louise ihr genügend Proviant mitgegeben hatte, verspürte sie keinen Hunger und trank nur hin und wieder einen Schluck warmen Tee aus ihrer Thermosflasche. Ganz plötzlich überfiel sie ein beängstigendes Gefühl der Verlassenheit. Was sollte sie den Verwandten sagen, an die sie sich kaum erinnerte, aber vor deren Tür sie in Kürze stehen würde?
    Nachdem sie den Anschlusszug nach Teplitz verpasst hatte und ein weiterer erst in fünf Stunden gehen sollte, kauerte sie sich in eine Ecke des überfüllten Wartesaals zwischen stumpfsinnig und erschöpft dreinblickenden Reisenden und schreienden Kindern zusammen, legte den Kopf auf die Knie und schloss die Augen.
    Sie würde Paul schreiben, dass sie in Schwierigkeiten steckte und ihm alles erklären! Natürlich nicht direkt unter ihrem Namen, aber das war wohl auch nicht nötig. Was würde er wohl als überzeugter Anhänger der Politik des Dritten Reiches, als Soldat, der so fest vom erfolgreichen Ausgang dieses Krieges überzeugt war, zu einer solchen Sache wie der mit den Flugblättern sagen? Sie kam nicht dazu, lange darüber nachzudenken, denn ohne dass sie es merkte, fiel sie in einen leichten, oberflächlichen Schlaf und schreckte erst hoch, als die Frau neben ihr, die ein kleines Kind in einem Tuch um ihre Brust gebunden hatte, sich erhob und sie dabei anstieß. Ein junger Soldat in Uniform, aus der er scheinbar länger nicht mehr herausgekommen war, setzte sich mit einem freundlichen Gruß auf die freie Stelle neben sie. Er stank jedoch so stark nach Schweiß, dass Magdalena ganz übel wurde. Und als ihr Blick zufällig auf seine vor Schmutz starrenden Ärmel fiel, sah sie, wie eine Anzahl Läuse über die Manschetten geradewegs ins Hemdinnere liefen. Den Soldaten schien das nicht zu stören, er lehnte sich zurück, zog seine Mütze über die Augen und begann umgehend zu schnarchen. Magdalena, von Ekel geschüttelt, begann es überall am Körper zu jucken. Sie ergriff ihr Gepäck, legte den Rucksack um und trat auf den Bahnsteig. Der Geräuschpegel war unglaublich, und in ihren Ohren dröhnten die Durchsagen des Lautsprechers, die Verspätungen und Abfahrtszeiten ankündigten. Dann hockte sie sich auf ihren Koffer neben anderen Wartenden und betrachtete das Gewimmel der Menschen, die vorbeiströmten. Nicht weit von ihr, an einen Pfosten gelehnt, stand ein Mann in Uniform,der eine Zeitung in der Hand hielt. Sie beugte sich leicht vor und versuchte, das Dickgedruckte zu entziffern.
    Rede des Führers zum vierten Kriegswinter: » Wir haben Stalingrad so gut wie erobert!«
    »Möchten Sie die ganze Zeitung lesen?« Amüsiert lächelnd sah der Fremde sie an. »Hier, Sie können sie gerne haben!«
    »Nein … nein, danke!« Ablehnend streckte Magdalena die Hände aus. »Die Überschrift ist mir nur ins Auge gefallen …«
    »Tja«, er faltete das Blatt zusammen, »pathetische, aber vielleicht leere Worte, die Hitler da in den Mund nimmt: »Niemand wird uns mehr aus Russland wegbringen …«
    Magdalena sah sich nach allen Seiten um, als fürchtete sie, es könne jemand mithören.
    Der Fremde lachte auf: »Keine Angst, ich bin Reporter, Kriegsberichterstatter, ich kann mir schon ein paar Dinge erlauben. Gestatten«, er verbeugte sich höflich, und der Duft eines angenehmen Rasierwassers wehte zu ihr hinüber. »Richter, Heinz Richter vom Völkischen Kurier. Ich komme gerade aus Russland und habe deshalb so meine Zweifel, ob wir dieses weite Land bezwingen. Fahren Sie auch nach Teplitz?« Er strich sich über das sorgsam gescheitelte, braune Haar und zündete sich mit einer lässigen Handbewegung eine Zigarette an.
    Magdalena nickte reserviert und versuchte, dem forschenden Blick seiner auffallend hellen, blauen Augen auszuweichen. »Ja, ich besuche Verwandte.«
    »Vielleicht werden wir uns ja einmal begegnen. Ich bin dort geboren. Erst in vier Wochen muss ich weiter nach Berlin.« Richter nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette und betrachtete sie mit einem Blick, unter dem sich Magdalena ein wenig unbehaglich fühlte. Der Mann war gepflegt, sah zweifellos gut aus und schien außerdem genau zu wissen, wie man mit Frauen umging.
    »Mein Verlobter kämpft an der Ostfront«, sagte sie

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