Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
gelähmt und kam kaum einen Meter vorwärts. Man war gezwungen abzuwarten, bis der Regen aufhörte und sich der Boden wieder etwas festigte.
Den fast schon verzweifelten Leningradern machte die Schlammperiode, die den Gegner vor unerwartete Probleme stellte, neue Hoffnung. Obwohl sie kaum mehr Reserven hatten und das Schicksal der Stadt so gut wie besiegelt schien, wehrte sich die dezimierte Bevölkerung jetzt wieder mit neuer Kraft gegen die drohende Besetzung. Sie wollten nicht aufgeben, auch wenn die Zufuhr von Lebensmitteln für die eingekesselte Bevölkerung seit längerer Zeit nur noch über den Ladoga See möglich war und Hungersnot und großes Elend herrschten. In der Minderzahl gegen die Deutschen, kämpften die russischen Soldaten mit einer Besessenheit ohnegleichen weiter, auch wenn Morast und Regen sie behinderten und sie nicht ausreichend Munition besaßen. Dem Befehl Stalins folgend, begannen sie jetzt, die wertvollen kleinen Schlösser in der Umgebung der Stadt in Brand zu setzen und alle Werte zu zerstören, die den Feinden vielleicht in die Hände fallen könnten.
Um ihr Ziel zu erreichen, brachten die neu angekommenen deutschen Truppen alles zum Einsatz, was ihnen zur Verfügungstand. Sie hatten, so gut es ging, das Gelände erkundet und nun war es oberstes Gebot, für sicheren Grund zu sorgen, über den Lastwagen, Panzer und Geschütze vorwärtsrollen konnten, ohne dass sie schon nach wenigen Metern stecken blieben und einsanken. Der Nachschub deutscher Pioniere arbeitete Tag und Nacht fieberhaft an neuen Knüppeldämmen über das unwegsame Sumpfgebiet, damit schwere Waffen, Raketen und Werfer mit der nötigen Munition überhaupt an die Kampfstellungen transportiert werden konnten. Zusätzlich sollte eine Verstärkung von finnischen Soldaten von der anderen Seite zu Hilfe kommen. Aber diese Hoffnung verlor sich – auch die Finnen blieben mit ihren Fahrzeugen und der gesamten Ausrüstung im Morast stecken.
Irgendwo in der Mitte des unsicheren und feuchten Sumpfgebietes, umgeben von sirrenden Mückenschwärmen, hausten nun die drei Kradmelder Paul, Hans und Willi gemeinsam in ihrem eher primitiv zusammengehämmerten Unterstand. Harte Arbeit lag hinter ihnen, bei der sie Gräben geschaufelt, Bäume gefällt hatten, um sich so gut wie möglich einzurichten und vor Überraschungsangriffen abzuschotten. Aus Birkenstämmen, die sie mehrfach übereinandergeschichtet hatten, um feindliche Kugeln abzuhalten, war eine relativ stabile Holzhütte entstanden. Nachdem aber nicht nur das heftige Artilleriefeuer aus der belagerten Stadt immer wieder bedrohliche Schäden an ihrer Behausung anrichtete, sondern sie auch zusätzlich von überschweren Geschützen aus der Festung Kronstadt beschossen wurden, schien es unumgänglich, dem Bau ein stabiles Dach aufzusetzen, das einiges aushalten konnte.
Sascha half bei allem fleißig mit, obwohl seine Wunde immer noch ein wenig schmerzte. Ein paar Meter von den anderen entfernt, in einem mit Laub ausgepolsterten Graben mit einem leichten Holzdach und einer Plastikplane darüber hatte er sichwohnlich eingerichtet. Obwohl er an seinem Lebensretter hing, wusste er jedoch mit der Mentalität der beiden anderen Deutschen nicht viel anzufangen. Wenn er ihnen zuhörte, spürte er deutlich, dass ein Teil seines Herzens russisch geblieben war.
Umdonnert vom Geschützlärm und umgeben von zahlreichen Gefahren kam Paul jetzt nicht mehr viel zum Grübeln, aber die fehlende Post und die ständige Ungewissheit über Magdalenas Schicksal quälten ihn in schlaflosen Nächten. Wann würde er endlich Nachrichten aus der Heimat erhalten, wann würde sie sich melden, damit er erfuhr, was wirklich geschehen war und wie es ihr ging? Jeden Abend saß er an dem primitiven Holzklotz, der als Tisch diente und schrieb einen Brief nach dem anderen an sie. Doch jedes Mal, wenn die Feldpost an die anderen Soldaten verteilt wurde, ging er leer aus und kehrte mit enttäuschter Miene zurück. Nach einiger Zeit erreichte ihn ein Brief seiner Schwester, die ihm schrieb, sie habe nicht mehr herausgefunden, als dass Magdalena aus Königsberg verschwunden sei, weil man sie nach einer verbotenen Flugblattaktion gegen die Regierung festnehmen wollte. Es sei wohl eine ernstzunehmende Sache. Ihre angeblichen Komplizen, Studenten von der Albertina, saßen bereits im Quednauer Gefängnis und warteten auf ihren Prozess. Keiner wisse, wo Magdalena sich aufhielt; auch ihre Großmutter, Louise von Walden,
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