Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
Vom Netzwerk:
ihren Ohren, die aufspritzende Erde um sie herum, versetzten sie in Panik. Sie sprang auf und rannte um ihr Leben über den Hof den kurzen Weg zu den Vorratskellern. Der Vorarbeiter zog sie hinein und sagte etwas, das sie nicht verstand. Irgendetwas lief an ihrem Hals herunter, warm aus ihrem linken Ohr heraus, in dem das Heulen der Flugzeuge noch anzuhalten schien. Wimmernd wischte sie das Blut fort, im Glauben, ihr Kopf sei getroffen. Als sich das Geräusch des Fluggeschwaders entfernte, legte man sie unter gutem Zureden auf eine Decke am Boden. Langsam beruhigte sie sich, versiegten ihr Schluchzen und ihre Tränen, doch der Schmerz in ihren Ohren blieb.
    »Selbst schuld, dummes Ding!«, knurrte der Vorarbeiter ärgerlich. »Stehen bleiben und zum Himmel raufsehen, wenn von oben Bomben herunterkommen. Die Granate hätte dich erschlagen können. Warum hast du nicht noch gewunken und gerufen, hallo, seht ihr mich – hier bin ich!«, er schüttelte den Kopf. »So ein bodenloser Leichtsinn!«
    »Wie soll ich leben«, stöhnte Magdalena undeutlich, »wenn es meine Familie nicht mehr gibt! Theo, mein kleiner Bruder – vielleicht ist er tot!« Die Leute vom Gesinde sahen einander ratlos an.
    »Lasst sie in Ruhe, sie ist ja ganz durcheinander!«, sagte der Vorarbeiter. »Leg dich ins Bett, Kleine. Der Angriff ist ja vorbei – wir haben es überstanden.«
    »Feuer!«, ertönte es in diesem Moment. »Der Schuppen brennt!« Alle stürzten hinaus und versuchten, den Brand zu löschen.
    Zum Glück war das Gut nicht das direkte Ziel des Angriffs gewesen, und der Regen hatte mitgeholfen, das Feuer im Schuppen zu löschen. Aber nicht weit weg, in den am Stadtrand von Teplitz liegenden industriellen Anlagen, den Walz- und Eisenwerken sowie den Gebäuden der Maggi Reichslebensmittelversorgung hatten die Bomben ziemlichen Schaden angerichtet. Dort brannte es lichterloh, und der Rauch wehte schwarze Wolken herüber. Da die Telefonleitung ausgefallen war, begab sich Ludwig persönlich in seinem altmodischen Wagen nach Teplitz, um zu telefonieren. Als er zurückkehrte, nahm er Magdalena mit Tränen in den Augen in die Arme. »Mein Kind, ich bringe gute Nachrichten. Theo ist wohlauf.«
    »Er lebt also?«, brachte sie mit erstickter Stimme hervor. Der Onkel nickte. »Ja. Ihm ist nichts geschehen. Er hat sich bei der Hitlerjugend als Luftwaffenhelfer gemeldet und befand sich glücklicherweise zum Zeitpunkt der Bombardierung nicht im Haus.«
    »Ich bin ja so froh!« Erleichtert drückte sie seinen Arm. »So unendlich froh!«
    In den nächsten Tagen verließ Magdalena ihr Zimmer nicht, sie blieb im Bett, starrte gegen die Decke und überlegte, wie ihre Zukunft aussehen sollte. Der Doktor hatte ihr Ruhe, Ohrentropfen und Umschläge verordnet.
    Ihr Herz war von tiefer Trauer erfüllt, und sie konnte das Geschehen immer noch nicht ganz fassen. Louise tot – ihr Zuhause in Königsberg durch Bomben zerschlagen und dem Erdboden gleichgemacht! Sie fühlte sich vom Schicksal bestraft, alleingelassen von allen Menschen, die sie jemals geliebt hatte. Jetzt waren ihr nur noch ihre beiden Geschwister geblieben, Gertraud, mit der sie sich noch nie richtig verstanden hatte, weil sie beide so unterschiedlich waren – und Theo, der danach strebte, sein junges Leben für den Führer, sein glühend bewundertes Vorbild, einzusetzen.
    Auf keinen Fall konnte sie riskieren, nach Königsberg zurückzufahren – auch nicht zur Beerdigung. Es war schlichtweg unmöglich, denn bei dieser Gelegenheit würde man sie sicher sofort verhaften.
    Von Heinz Richter kam nach ein paar Tagen Post aus Berlin; ein kurzer Brief, in dem er ihr mit einigen Floskeln und ohne nähere Angabe der Gründe mitteilte, dass er ihre Beziehung als beendet betrachtete und leider auch nicht mehr die Zeit gefunden habe, ein Postfach für sie einzurichten. Wütend zerriss sie seine Zeilen und warf sie in den Papierkorb. Wieder war eine Hoffnung gestorben, eine Tür zugeschlagen, die zu Paul hätte führen können. Wenigstens hatte er ihr den versprochenen falschen Pass besorgt, mit dem sie nicht mehr Magdalena von Walden, sondern Alma Kurz war, eine Arbeiterin wie viele andere auf einem Gut bei Teplitz.
    Als es am Ende der Woche energisch gegen ihre Tür klopfte, ahnte Magdalena nichts Gutes. Johanna, die sie bisher hochmütig gemieden, aber zumindest toleriert hatte, stand auf der Türschwelle. Sie war blass, auf ihren Wangen glänzten hektische rote Flecken, und ihre aschblonden,

Weitere Kostenlose Bücher