Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
es, und er wartete und wartete, während schwarze Schleier begannen, sein Blickfeld zu verdunkeln und er im Begriff war, das Bewusstsein zu verlieren.
Die Sirenen heulten mitten in der Nacht durch ganz Königsberg. Die britische Luftwaffe flog einen überraschenden, aber umso schrecklicheren Angriff und ließ unablässig Bomben und Brandwerfer auf die Stadt niederprasseln. Das Chaos war unbeschreiblich; in das Krachen zusammenstürzender Mauern mischten sich blitzartige Explosionen, die ein höllisches Licht erzeugten, das sich in Feuerwände verwandelte, die durch unkenntliche Trichter zischten, die einst Straßen waren. Dichter, erstickender Qualm erfüllte die erhitzte Luft. Die Menschen liefen erst überstürzt auf die Straße, dann in Panik davon, bevor sie sich in Keller und Luftschutzbunker flüchteten. An vielen Stellen brannte es und der graue Morgen zeigte ein verheerendes Bild von Schutt und Asche.
Dort, wo die von Waldensche Villa umgeben von einer lieblichen Parkanlage gestanden hatte, befand sich nur noch ein tiefer Krater, ein riesiges Loch in der Erde, das zur Hälfte mit Steinen und Mauerresten gefüllt war. Das Haus der Nachbarin, Frau Schmitz, hatten die Bomben verschont, sie war mit allen anderen Mietern unter Todesängsten in den Keller gestürzt, hatte dort die Nacht verbracht und sich nur die Ohren vor dem nahen Zerbersten und Zusammenbrechen um sie herum zugehalten. Jetzt starrte sie voll Entsetzen aus dem Fenster, ihrem bisherigen Beobachtungsposten, auf das Bild der rauchenden Zerstörung, des Nichts, das sich auftat, dort, wo einst die von Waldensche Villa gestanden hatte. Nur noch die Reste einiger schwarz verbrannter Stümpfe ragten aus dem ehemals so gepflegten Garten hervor.
»Das wollte ich nicht!«, stammelte sie mit zitternden Lippen. »Das wollte ich doch wirklich nicht!« Doch der Albtraumverschwand nicht, es war keine Täuschung und kein Wahnbild. Kaltes Grauen legte sich auf ihre Brust, Angst vor dem, was sie sah und davor, was vielleicht noch geschehen konnte.
Erleichtert über die Abfahrt Heinz Richters nach Berlin und darüber, dass sie nun über ihre Zeit wieder frei verfügen konnte, versuchte Magdalena, das Geschehene zu verdrängen und an ihn wie an einen guten Freund zu denken, der ihr weiterhelfen würde.
Sie werkte auf dem Gut, als hätte sie nie im Leben etwas anderes getan, als auszumisten und das Vieh zu füttern. Inzwischen waren auch noch andere Arbeiten im Stall dazugekommen – sie kümmerte sich darum, dass die Pferde regelmäßig ihren Auslauf hatten und dass Zeus, der schwarze Wallach des Onkels, immer frisch geputzt und mit eingeölten Hufen bereitstand, wenn er einen Ausritt unternahm. Er legte ihr dafür auch jedes Mal die Zeitung bereit, die sie eifrig las, auch wenn die Nachrichten über das Frontgeschehen ihr nur zu oft Schauder über den Rücken jagten. Jedes Mal fragte sie sich, wo Paul jetzt wohl sein mochte, ob er lebte und überhaupt noch an sie dachte?
Tag für Tag hoffte sie nun auf das verabredete Zeichen, das Codewort des Postfaches, das Richter ihr in Berlin einrichten wollte und mit dem es ihr endlich möglich sein würde, Nachrichten zu empfangen oder abzuholen. Der Brief an Paul musste ja längst unterwegs sein. Doch die Zeit verging, und es tat sich einfach nichts. Verzweifelt kämpfte sie gegen die aufsteigende, lähmende Resignation in ihrem Innern. All ihre Bemühungen waren bisher erfolglos gewesen und eigentlich ins Gegenteil umgeschlagen, so, als habe die dunkle Macht des Schicksals etwas gegen ihre Liebe und hielt sie beide mit aller Gewalt auseinander.
Abends brütete sie so lange über ihren Büchern, bis ihr die Augen zufielen. Die Weisheiten der Philosophie gaben ihr Kraft, und sie hatte sich heute einen Spruch Epikurs aufgeschrieben:
›Niemand wählt mit sehenden Augen das Übel, sondern er wird vom Übel eingefangen, angelockt, als ob ein größeres Gut zu gewinnen wäre.‹
Nichts hätte besser zu der Lage gepasst, in der sich das deutsche Volk jetzt befand, das wie eine blinde Hammelherde den Wahnideen Hitlers gefolgt war, der es in diesen blutigen Krieg gestürzt hatte.
Von Louise war schon vor einiger Zeit eine Karte an die von Papenburgs eingetroffen, mit belanglosen Worten und einer kurzen Benachrichtigung von Gertrauds Hochzeit mit Gottfried von Treskow, die ganz im Stillen stattgefunden hatte. Den Satz, dass sie selbst ein sehr ruhiges Leben führte und wegen ihres Alters keinen Besuch mehr empfange, hatte
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