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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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nicht nur erreicht – sondern bereits überrollt! Kannst du mir sagen, wo die Frontlinie ist – in welcher Richtung wir überhaupt kämpfen sollen? Der Feind ist unsichtbar und kommt von allen Seiten. Lange halten wir das nicht mehr durch.«
    Er stand auf, ging zur Tür und sah hinaus, um sich zu versichern, dass niemand zuhörte. Dann senkte er die Stimme und trat ganz nahe an Paul heran. »Ich würde am liebsten abhauen, wenn ich ein paar Leute hätte, die mitkämen! Was ist? Wärst du dabei?« Seine Stimme wurde zu einem heiseren Flüstern. »Wir krepieren hier doch genau wie die in Stalingrad, mitten in unseren Löchern, in die man uns gleich eingraben kann!«
    Eine Stille entstand. Dann seufzte Paul laut. »Mach dir doch nichts vor: Weit kommen wir nicht, in diesem unwegsamen Gelände, diesem riesigen Land, in dem es nicht mal Straßen gibt! Entweder kapern uns die Russen, oder wir werden von den eigenen Leuten als Deserteure erschossen.« Er atmete tief durch. »Vielleicht hab ich ja auch die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben. Hitler redet immer wieder von der Wunderwaffe, die er einsetzen will …«
    »Ach was, Wunderwaffe!« Schmidt knurrte ein Schimpfwort in seinen Bart und versetzte dem Eimer, der in der Ecke stand, einen unsanften Tritt. »Du glaubst wohl an Märchen.« Er sah Paul aus weit aufgerissenen Augen an. »Bis die kommt, schauen wir uns längst die Radieschen von unten an!«
    Paul schwieg. Es schien so undenkbar, den Krieg zu verlieren, nach all den Blitzsiegen, dem rasanten Vorstoßen der deutschen Armee in ferne Länder. Er hob die Arme und ließ sie wieder sinken. Dann zuckte er die Schultern. »Vielleicht geschieht ja noch ein Wunder!«, sagte er. »Glaubst du nicht, Robert?«
    Schmidt drehte sich mit einem unartikulierten Fluch um, ging hinaus und knallte die Tür heftig hinter sich zu.
    In der Nacht gab es Alarm. Ein Sturm brach los und wehte die Zelte und Baracken mit den Unterkünften beinahe davon. Zu allem Übel tauchten sowjetische Panzer wie Schatten am Horizont auf, drohten mit einem Angriff und damit, alles niederzuwalzen, was sich ihnen in den Weg stellte. Die vom Vortag bereits erschöpften Männer der Kompanie versuchten standzuhalten, sich in mühsamem Kleinkampf zu verteidigen und den Angriff abzuwehren. Die schlimmsten Befürchtungen wurden jetzt wahr: Russische Panzerverbände rollten die Linien auf, und die Front war nur noch eine Zeichnung auf den Landkarten des OHK, die nicht mehr existierte. Nach dem erbitterten Widerstand der Kompanie und scharfen Gefechten gaben die Russen vorläufig auf und zogen sich ein wenig zurück.
    Als Paul nach dieser Nacht gegen Morgen erschöpft auf sein Bett fiel, fand er keinen Schlaf. Zu viel ging ihm durch den Kopf – die Unterhaltung mit dem Hauptfeldwebel und vor allem, dass er nach ein paar Stunden Ruhe wieder an der Seite der Kameraden stehen musste, um mit wenig Enthusiasmus um ein Gebiet zu kämpfen, das die Russen schon längst wieder zurückerobert hatten. Er fühlte sich enttäuscht und ausgebrannt. Seine Begeisterung,die Illusionen von dem, was Krieg, Vaterland, Ehre und Soldat sein für ihn bedeutet hatten, entpuppte sich nun als hohle Phrase, leeres Geschwätz, das nun, da es nur noch um Leben oder Tod ging, bedeutungslos wurde. Draußen dämmerte der graue Morgen herauf. Er zündete die Petroleumlampe an, setzte sich wieder in seine Schreibstube und starrte, den Kopf in die Hände gestützt, auf die angefertigte Liste der Gebrauchsgegenstände, die dringend benötigt wurden, aber nicht kamen, den tristen Bericht, den er über den Zustand des Fuhrparks für das OHK verfasst hatte.
    Ohne anzuklopfen polterte plötzlich Schmidt herein, übers ganze Gesicht grinsend. Er warf ihm eine Funkermeldung zu: »Hier, endlich! Der Befehl zum Abrücken kam heute Morgen in aller Frühe. Das Lager wird verlegt. Gott sei Dank haben die da oben doch noch Vernunft angenommen! Außerdem ist Verstärkung angekündigt, die zu uns stoßen soll! Bis später!« Mit diesen Worten war er schon wieder draußen.
    Paul überflog erleichtert die Nachricht. Das kam wirklich in letzter Minute! So etwas wie Hoffnung keimte wieder in ihm auf. Er machte sich daran, seine Papiere zu ordnen und zu verstauen. Die Tür knarrte leise. In der Öffnung stand Tanja. Sie trug einen flachen Korb, in dem sich eine Schale Hafergrütze befand, die mit saurer Milch verrührt war, und ein Schüsselchen Kirschkompott. Mit gesenktem Blick sagte sie. »Bringä

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