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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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den Anschluss an die Kolonne am anderen Flussufer finden, sonst war er verloren. Er hatte die Scheinwerfer ausgeschaltet. Seine Augen waren an die Dunkelheit gewöhnt, als er langsam wieder anfuhr. Das Wasser des Flusses plätscherte leise an einer ebenen Stelle, die ihm nicht allzu schwierig zu durchfahren schien; aber auf der anderen Seite befand sich eine unebene Böschung. Da konnte er, wenn überhaupt, nur mit Anlauf hinüberkommen. Mit zusammengepressten Lippen, alle Glieder aufs Äußerste gespannt, ließ er den Motor aufheulen und schoss über die Wiese über den Fluss – aber an der Böschung rollte er wieder zurück. Franzfiel wie eine Puppe neben ihm hin und her, aber er vermied es hinzusehen und blickte stur geradeaus. Ein zweiter, ein dritter Versuch – beim vierten gelang es. Er war oben. Jetzt noch zurück zur Straße; sie war unweit seiner Position am aufblitzenden Geschützfeuer zu erkennen. In der Gegenrichtung sah er Panzer, die auf die Kolonne zurollten, und hielt schnurgerade auf sie zu. Endlich Hilfe! Das mussten die versprochenen deutschen Tigerpanzer sein! Jubelgeschrei um ihn ertönte. Als er ganz nahe war, sah er plötzlich, wie die eigenen Leute der Geschützbedienung plötzlich von ihren Zugmaschinen absprangen und sich unter Büschen und Sträuchern verkrochen. Er begriff nicht sofort – erst als er erkannte, dass auch andere aus ihren Wagen sprangen und vor dem rundum ausbrechenden Feuerwerk kreuz und quer davonliefen, dämmerte ihm die Wahrheit. Eine Täuschung – das waren keine deutschen, sondern russische Panzer! In diesem Moment brummte auch schon der erste Koloss auf ihn zu und feuerte mit seinem MG mitten in die Kolonne. Mit einem letzten Impuls seines Überlebensinstinktes ließ Paul sich aus dem Wagen fallen und stellte sich tot. Der Panzer drehte ab, fuhr auf das Fahrzeug zu, das ihm am nächsten war, zerquetschte es zu einem unkenntlichen Blechhaufen, schob es in den Graben und kam dann auf Pauls Wagen zugedonnert. Doch plötzlich, als würde es sich nicht mehr lohnen, stoppte er, kehrte um und fuhr zurück.
    Die Sturmgeschütze befanden sich noch in vollem Gefecht mit den russischen Panzern, und Paul konnte unbemerkt ins Gebüsch robben und sich dort zentimeterweise voranschieben, ohne die Kampfsituation aus den Augen zu lassen. Er kroch weiter, von Busch zu Busch, dann sprang er auf und lief irgendwo hin, den anderen Flüchtlingen nach, so lange, bis ihm der Atem ausging. Wie durch ein Wunder war ihm nichts geschehen. In einem kleinen Waldstück trudelten nach und nach dann die Reste seiner Truppe ein, Robert, der Kommandant von Seidl unddie besagten Infanteristen, die immerhin noch Panjewagen und Karren besaßen. Diese Übriggebliebenen waren jetzt nur mehr ein schwaches, kleines Häuflein und mussten den Gedanken an das Schicksal der anderen weit von sich schieben. Sobald sie sich einigermaßen wieder gefasst hatten, wurde abgezählt. Nur etwa zwanzig Mann der fünften Batterie hatten es geschafft, die anderen waren zu schwer verletzt, zerstreut oder tot. Aber diese Überlebenden mussten jetzt weiter Richtung Poltawa zu der rettenden Division – schnell fort von hier, von der tödlichen Bedrohung, die sie, nicht weit von den russischen Panzern entfernt, noch umlauerte. Robert hinkte – er spürte erst jetzt den Schmerz und dass er stark blutete, weil eine Kugel in seinen Oberschenkel eingedrungen war. Paul riss sich ein Stück Stoff aus dem Hemd, verband notdürftig die Wunde und legte den vor Schmerzen Stöhnenden auf einen Karren. Er dachte an Franz Dandl, der jetzt noch im Kübelwagen auf dem Feld lag. Aber seine Gefühle waren wie abgestumpft, zugefroren, und er sah sich selbst wie in einem Traum zu, aus dem er bald aufwachen würde, weil er ja gar nicht wahr sein konnte. Schwankend, mit schmerzendem Magen und halb erfrorenen Füßen stolperte er den anderen nach, marschierte er mit den erschöpften Männern endlose Kilometer hinein in die Weite des russischen Landes.
    Obwohl es auf den Sommer zuging, war es nachts nicht allzu warm. Es regnete viel, und da Paul Mantel und Jacke auf der Flucht verloren hatte, war seine Kleidung immer durchnässt, und ihn fror ständig. Ein bellender, schmerzhafter Hustenreiz begann ihn zu quälen, der seine Brust in Abständen erschütterte. Er spürte, dass er Fieber bekam, müde wurde, aber er wollte einfach nicht aufgeben. Von Zeit zu Zeit schlürfte er brackiges Wasser aus einem Loch, um das Brennen und den Durst in

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