Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
Anlass, sich aus allen verbotenen Töpfen mit Köstlichkeiten aus der Speisekammer zu bedienen. Sie sah ihrer Schwester neugierig entgegen. »Na, ist er weg?«, fragte sie zwischen zwei Bissen mit vollem Mund.
Magdalena ließ sich auf einen Stuhl fallen, stützte den Kopf in die Arme und antwortete nicht.
»War’s denn wenigstens schön?«, setzte Gertraud betont gedehnt hinzu und leckte sich das rote, klebrige Gelee von den Lippen. »Willst du auch was?«
Die Schwester schüttelte müde den Kopf. Sie fühlte sich wie ausgebrannt, seit Paul fort war, und hatte zu nichts Lust, nicht einmal zu reden.
»Sei froh, dass Mama nichts gemerkt hat …«, fuhr Gertraud fort und biss noch einmal herzhaft in ihre Schnitte.
»Was?«, fuhr Magdalena auf, »was soll sie gemerkt haben?«
»Na, dass du zweimal sogar die ganze Nacht weg warst!«, prustete Theo, der mit seinem Fußball unter dem Arm in der Tür stand. Er kickte den Ball voran, dribbelte hinterher und stibitzte Gertraud, die entrüstet aufschrie und ihn wegschubsen wollte, im Vorbeilaufen das Marmeladenbrot.
»Wir sind doch nicht blöd – uns kannst du doch nichts vormachen. Aber nett ist er, dein Paul, da kann man nichts sagen. Jedenfalls ist er nicht schlecht im Fußball, hat gleich ein Tor gemacht, neulich, als er uns auf der Wiese spielen sah.« Theodor kaute in gebührendem Abstand von Gertraud mit vollen Backen, steckte den Löffel in das Glas mit Johannisbeergelee und stopftesich noch einen ganzen Löffel davon in den Mund. Gertraud war aufgesprungen, rannte um den Tisch herum und versuchte, ihn zu erwischen. »Immer musst du gleich so unverschämt sein und alles nehmen«, zeterte sie. »Das merke ich mir. Da kannst du demnächst was erleben!«
Theodor beachtete sie nicht, baute sich vor Magdalena auf und streckte die offene Hand aus. »Was kriege ich, damit ich nicht petze?«
»Du spinnst ja!«, fuhr Magdalena auf. »Gar nichts kriegst du. Außerdem werde ich Paul heiraten, ob es Mama passt oder nicht!«
»Ich hab gehört, wie sie zu Oma sagte, dass so ein Habenichts ihr nie ins Haus käme – schon gar nicht als Schwiegersohn!«, triumphierte er feixend. »Der hat nichts und ist nichts, ja, genau das hat sie gesagt. Frag Gertraud, die hat es doch auch gehört!«
Die Schwester nickte beifällig, während sie sich die goldgelbe Butter fingerdick aufs Brot strich. »Der Gottfried von Treskow war übrigens hier – er hat nach dir gefragt. Er hat so eine vornehme Art, der weiß, was sich gehört. Von mir aus könnte er öfter vorbeikommen!«
»Ist das der schlaksige, pickelige Jüngling mit dem großen Adamsapfel?« erkundigte sich Theo glucksend. »Sag bloß, dass der dir gefällt?«
Gertraud zog es vor, nicht zu antworten, und strafte den kleinen Bruder nur mit einem giftigen Blick.
»Ach, lasst mich doch in Ruhe mit euren Streitereien!« Magdalena, der jetzt bei jeder Gelegenheit die Tränen in die Augen traten, presste die Lippen zusammen. »Und wenn Mama etwas gegen Paul hat, geh ich einfach mit ihm fort, ganz weit weg!« Sie schluchzte auf und lief, so schnell sie konnte, in ihr Zimmer.
Die Geschwister sahen ihr erstaunt nach. Gertraud schüttelte den Kopf: »In letzter Zeit ist sie wirklich übertrieben empfindlich. Ich konnte ihr nicht mal sagen, dass Mama Gottfried vonTreskow zum Abendessen eingeladen hat. Ich werde mich schon mal umziehen.«
Theo ließ ein künstliches Stöhnen hören. »Ach du liebe Zeit! Das wird ja wieder ein langweiliger Abend! Dauernd erzählt er von seinen Heldentaten – oder er fragt mich, was wir in der Schule gemacht haben.« Er tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Der ist doch blöd – ich kann ihn einfach nicht leiden!«
»Du bist selber blöd!«, kreischte Gertraud entrüstet auf. »Ich find ihn sehr, sehr nett! Mir bringt er auch immer Pralinen mit!«
»Du bist ja total verknallt in ihn!«, stellte Theo schadenfreudig fest und brachte sich vorsichtshalber in Sicherheit. Doch der erwartete Protest blieb aus, Gertraud schraubte mit einem fast träumerischen Blick den Deckel über das Marmeladenglas, nahm die Butter und stellte alles zusammen wieder in die Speisekammer zurück. Im Vorbeigehen betrachtete sie sich selbstvergessen im Spiegel, drehte und wendete sich und zog ein paar Locken aus ihrem Pferdeschwanz. Sie freute sich auf den Abend.
In ihrem Zimmer betrachtete Magdalena das Amulett mit der heiligen Jungfrau, das sie Hanna Kreuzberger zurückbringen wollte. An der tristen
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