Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
schluckte und hatte schon eine schnippische Antwort auf der Zunge, dass ihn das eigentlich gar nichts anging. Dann besann sie sich. »Ich bin nur zufällig hier durchgekommen«, sagte sie leichthin. »Es ist eine ruhige Gegend, eigentlich ganz nett zum Spazierengehen. Ich muss noch einiges für meine Klausur lernen – das gelingt mir beim Spazierengehen am besten.« Sie hielt ihm ihre Mappe hin, als müsse sie ihre Worte beweisen. »Manchmal streife ich durch die Straßen und bin ganz verwundert, wo ich mich auf einmal befinde!«
»Verstehe. Wenn du erlaubst, begleite ich dich noch ein Stück. Und diesmal spricht ja wohl nichts gegen meine Einladung zu einem Kaffee, oder?« Er sah sie beinahe lauernd an.
Magdalena nickte; sie würde sich überwinden, um sich den eifrigen Parteigänger und Kommissaranwärter nicht unnötig zum Feind zu machen, oder, was genauso schlimm war, sich sein Misstrauen zuzuziehen. Irgendwie war sie sich nicht sicher, ob er ihr gefolgt und sie beobachtet hatte, oder ob diese häufigen Treffen wirklich nur dem Zufall entsprangen.
»Es wird Zeit, dass allmählich alle Juden in Königsberg enteignet werden und in die Judenhäuser der Vorstadt kommen«, beganner unvermittelt. »Die nehmen uns hier doch nur Platz weg, findest du nicht?«. Er nahm seine Brille ab und putzte die Gläser mit einem Taschentuch, während er Magdalena mit seinen kurzsichtigen grauen Augen anblinzelte. »Ich habe diesbezüglich bereits einen Antrag bei der Stadt gestellt.«
»Aber .. .ich kenne einige jüdische Mitbürger, die sehr viel für unsere Stadt getan haben, Dr. Friedländer, der Leiter des Kinderkrankenhauses zum Beispiel«, wagte Magdalena einen schwachen Einwand, »er hat meinem Bruder Theodor einmal das Leben gerettet, als er einen Blinddarmdurchbruch hatte … «
»Das hat doch damit nichts zu tun. Wir dürfen in Einzelfällen keine Ausnahme machen«, fuhr Anton sie scharf an. »Der Führer will eine rein arische Rasse – Mädchen wie dich zum Beispiel!«, fuhr er pathetisch fort und nahm vertraulich ihren Arm. »Mütter unserer zukünftigen Nation! Da haben die anderen keinen Platz. Sie müssen weg!« Dicht vor ihm stehend, schlug Magdalena sein schlechter Atem ins Gesicht, und sie sah wie unter einem Vergrößerungsglas sein weißes, unebenes Gesicht vor sich, das von der Erregung rote Flecken bekommen hatte, die fettige, aschblonde Haarsträhne, die ihm in die flache Stirn fiel, seine grauen, ausdruckslosen Augen unter farblosen Wimpern hinter der Brille. Unwillkürlich wich sie zurück und ging einfach weiter. Anton folgte ihr, und eine Weile schritten sie schweigend nebeneinander her, bis sie an der Konditorei Vogel anlangten. Anton schlug die Hacken zusammen, hielt ihr die Tür auf, und sie nahmen an einem kleinen Tisch in der Nähe des Fensters Platz. Man sah, dass er sich nun ganz in seinem Element fühlte. Die Ellenbogen aufgestützt, kaute er mit vollen Backen und schwafelte unablässig. Dabei blieben unappetitliche Reste und Tortenkrümel an seinem kurzen Oberlippenbart hängen, die Magdalena angewidert betrachtete und die ihr den Appetit auf die marzipanverzierte Schokoladentorte verdarben, die vor ihr stand. Dessen ungeachtet, erläuterte ihr Gegenüber die neuen Pläne derPartei, schwärmte von der Strategie des Führers und berichtete von Säuberungsaktionen der Stadt, die schon bald im Frühjahr geplant seien und bei denen man die unerwünschten Juden Königsbergs nach Russland abtransportieren würde. Magdalena erschrak zutiefst: Hanna hatte mit ihren Befürchtungen recht gehabt – es war fünf Minuten vor zwölf. Mit einem schleimigen Lächeln rückte Anton jetzt näher und versuchte, den Arm um sie zu legen. »Magdalena, du weißt, ich sehe dich sehr gern … wäre schön, wenn wir uns öfter treffen könnten. Was hältst du davon?«
Magdalena hätte ihm am liebsten einen Stoß vor die Brust versetzt, ihm eine Ohrfeige verpasst und laut Nein geschrien, so sehr fühlte sie sich von ihm und seiner ganzen Art abgestoßen. Aber sie beherrschte sich mit aller Gewalt und rückte nur beiseite. Mit einem sittsamen Augenaufschlag erwiderte sie. »Lass mir Zeit – der Tod meines Bruders hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen. Ich möchte mich im Augenblick nur auf mein Studium konzentrieren! Was die Zukunft bringt – das werden wir sehen.«
Anton schien entzückt und fügte salbungsvoll hinzu: »Du bist eben ein durch und durch deutsches Mädchen. Gradlinig, offen,
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