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Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)

Titel: Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Berger
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üppiger war als das, was Magdalena in den letzten Monaten zu sich genommen hatte, verfolgten sie, von der körperlichen Arbeit ermüdet, am Radio die Kriegsnachrichten, auch den verbotenen Sender BBC. Wenn man die Ohren spitzte, hörteman bei den Propagandameldungen gleich die unterschwelligen Wahrheiten heraus. Soldaten und Flüchtlinge waren bereits auf dem Weg Richtung Westen, sie hatten sich aus Angst vor den Russen teils über Land, teils über die Ostsee aufgemacht.
    Gertraud weigerte sich immer noch beharrlich, das Gut zu verlassen. Sie berief sich auf den Bürgermeister von Königsberg, der immer wieder die Unruhe beschwichtigte und noch kein Zeichen zur Evakuierung gegeben hatte. Ihre Hoffnung flammte wieder auf, als zu hören war, dass deutsche Truppen in Ostpreußen Goldap zurückerobert hatten, doch das war nur ein Strohfeuer, denn in Wahrheit stand die Einkesselung durch die Rote Armee unmittelbar bevor. Magdalena spürte es intuitiv und ohne darüber zu sprechen; wie einen eisigen Hauch in ihrem Rücken, eine kalte Hand, die sich langsam nach ihnen ausstreckte, um sie zu packen. Sie sprach mit Gertraud darüber, um sie endlich davon zu überzeugen, dass sie das Gut verlassen mussten. Aber die Schwester fand immer etwas Neues, um die Abfahrt zu verzögern. Erst, als sie ihr drohte, allein fortzugehen, gehorchte sie endlich. So packten sie nun alles zusammen, Gläser mit Birnen und Apfelkompott, füllten Hülsenfrüchte in Säcke, luden den Hafer für die Pferde auf und ließen zum guten Schluss von einem hilfsbereiten Nachbarn, dem sie einen Anteil versprachen, noch ein Schwein schlachten. Das Fleisch kochten sie, marinierten es in Essigessenz und Salz und legten es dann schichtweise mit Fett und Gewürzen in einen schweren Steinguttopf.
    Und es war höchste Zeit: Überall im Reich zog sich der Ring immer enger zusammen, eine Horrornachricht jagte die andere. Das deutsche Schlachtschiff Tirpitz wurde versenkt, Luftangriffe zerstörten in den Städten noch die letzten Überreste der alten Kultur; aber Hitler dachte nicht daran aufzugeben. Im Gegenteil, er startete eine letzte Großoffensive, einen verzweifelten Versuch, das Blatt noch einmal zu wenden und eine neue Propagandamaschine anzuwerfen. Als Ultima Ratio sollte nun dasUnternehmen »Wacht am Rhein« in den Ardennen gegen die i. US Armee anlaufen. Die neue Wunderwaffe, V-1 und V-2 Raketen, wurde diesmal eingesetzt, vierzig Aufklärer, zwei Panzerarmeen, hunderteinundsiebzig Bomber und über tausend Jagdflugzeuge standen bereit. Die ersten Anfangserfolge gaukelten eine trügerische Wendung vor, dann erlosch schließlich auch diese letzte Hoffnung. Am Heiligen Abend 1944 gab es eine traurige Gewissheit für die Wehrmacht: Die Ardennen-Offensive hatte sich endgültig festgefahren, und die Alliierten verdreifachten ihre Anstrengungen in alle Richtungen, um den Untergang des deutschen Reiches zu beschleunigen.
    In den ostpreußischen Gebieten kündigte sich ein strenger Winter an.
    Nachdem sich die verteidigende Heeresgruppe E erfolglos zurückziehen musste, begannen die Sowjets mit ihrem Angriff auf Königsberg.
    Das Fuhrwerk der beiden Frauen, hoch beladen mit Dingen, von denen sich die Schwester auf keinen Fall trennen wollte, wie Kleidung, Möbel und Proviant, alles von einer Plane bedeckt, rollte eines eisigen Morgens endlich an.
    Es war ein Abschied, nicht nur von Königsberg und allem, was ihnen in dieser Stadt lieb gewesen war, sondern auch von einem Stück ihres Lebens, der Abschied von einer unbeschwerten Kindheit und Jugend. Gertraud schluchzte leise vor sich hin, aber Magdalena blickte nicht zurück. »He, hüh!«, trieb sie energisch das Pferd an, und obwohl auch ihr Tränen in den Augen standen, konzentrierte sie sich nur darauf, die Zügel korrekt zu halten, denn noch nie im Leben hatte sie einen Wagen kutschiert. Auf dem Bock sitzend, war sie wie Gertraud in einen warmen Fuchspelz gehüllt, der gut gegen die scharfe Winterluft schützte.
    Als sie die Hauptstraße erreichten, blickten sie mit Entsetzen auf den langen Treck der Flüchtlinge, der sich vor ihnen erstreckte,so weit das Auge reichte. Er schlängelte sich nur im Schneckentempo vorwärts und blockierte den freien Weg. Eine solche Menschenflut, die vorandrängte, hatten sie sich in ihren schlimmsten Träumen nicht vorgestellt. Nicht nur Flüchtlinge mit Pferd und Wagen, sondern Fußgänger mit Karren sowie eine Menge Soldaten, zum Teil verletzt oder versprengt, waren auf dem

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