Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
schwächte.
Auch als Magdalena einigermaßen wiederhergestellt war, blieb Fred weiter bei den beiden Frauen, er kutschierte und mühte sich, das Pferd gut zu führen, es zu versorgen und ihnen schwere Arbeiten abzunehmen. Er war auch sonst eine sehr große Hilfe,und sie entlohnten ihn dafür großzügig mit Essbarem und den Vorräten, die sie auf dem Gut vorbereitet hatten. Dicke Stücke aus dem Steinguttopf mit dem sauer eingelegten Schweinefleisch häuften sie großzügig auf getrocknete Brotfladen, und für den wenig verwöhnten Burschen war das ein Luxusessen, das ihm in den mageren Zeiten hervorragend schmeckte. Zudem war er stolz darauf, den Wagen selbstständig zu lenken, er sorgte für das Pferd und genoss den Lohn, den er sich dabei verdiente.
Die Schreckensnachricht kursierte, die Russen wären jetzt ganz nahe und im Begriff, den Treck einzuholen. Statt sich zu Land weiter über verstopfte Straßen zu quälen, schien es das Nächstliegende zu sein, es über das Eis des Frischen Haffs zu versuchen, um dann mit dem Schiff über die Ostsee zu entfliehen. Alles strömte und drängte nun in diese Richtung, in der Hoffnung, sich in Gotenhafen einschiffen zu können. Auch Gertraud war von dem Plan einer Überfahrt angetan; auf dem Meer war man schließlich vor den Russen so gut wie sicher, die sie bei dem Schneckentempo der Trecks zu Land noch einholen konnten.
Fred und die beiden Frauen versuchten, sich in der Kolonne zu behaupten, aber man durfte nicht ausscheren, nicht stehen bleiben, sonst war es so gut wie unmöglich, sich wieder einzureihen. Jeder drängte, strebte rücksichtslos voran und wollte auf keinen Fall Letzter sein, denn viele Straßen waren inzwischen von Militärfahrzeugen und den nachdrängenden Russen blockiert und überwacht.
Mit einem verzweifelten Versuch verließen sie trotzdem einmal den Treck, um auf eigene Faust über Nebenwege das Frische Haff zu erreichen. Doch sie verloren nur unnötige Zeit beim Rumpeln durch Feld und Wald, durch eine umständliche Irrfahrt auf nur mäßig befahrbaren Landwegen. Schließlich gaben sie es auf und kehrten wieder in den Treck zurück. Nicht lange danach erreichten sie das in diesem harten Winter bereits zugefrorene Eis des Haffs. Still, weiß und kalt lag die von flockigemSchnee leicht überzuckerte, wellenförmig unebene Eisfläche vor ihnen. Der klare Himmel am Horizont war von unschuldigem Blau mit rosigen Streifen, und eine kalte Sonne tauchte alles in ein goldenes, fast überirdisches Licht. Das Pferd, dessen dampfende Nüstern weiße Rauchfahnen in die Luft bliesen, zögerte, seine Hufe auf den unsicheren Untergrund, der so seltsam glatt und rutschig war, zu setzen. Fred und Magdalena stiegen ab, führten es unter beruhigendem Zureden beidseitig am Zügel voran, und der Wagen glitt langsam, mit knarrenden Rädern, auf die spiegelnde, weglose Fläche, die unter ihnen wie splitterndes Glas knirschte. Ein leises Brummen ließ Magdalena zusammenfahren, ohne dass sie gleich wusste, warum. Sie kniff die Augen zusammen, so sehr blendete sie die unendliche Helle, die mit dem Horizont zu verschwimmen schien. Die ameisenhaft sich vorschiebenden dunklen Punkte und Schatten des vor ihnen fahrenden Zuges von Menschen, Pferden, Wagen und Karren hoben sich nur allzu deutlich von der weißen Ebene ab. Das reine Blau des Himmels wirkte leicht getrübt. Ein einziger Gedanke schoss plötzlich wie ein Blitz durch ihren Kopf: Waren sie hier nicht völlig schutzlos, wie auf dem Präsentierteller, einem möglichen Luftangriff ausgeliefert? Ihr Herz klopfte plötzlich unruhig. Sie versuchte, ruhig zu atmen und sich keine Sorgen zu machen. Niemand würde es jemals fertigbringen, hilflose Flüchtlinge, Frauen und Kindern zusammenzuschießen. Allein der Gedanke daran war unmenschlich.
Ein Soldat trat aus einer Gruppe Wehrmachtsangehöriger auf sie zu und zerrte an der Plane: »Halt! Abladen! So können Sie nicht auf das Eis! Runter mit den schweren Möbeln!« Er machte sich daran, Gertrauds Perserteppich, die antike Kommode, in der sich ihr Silber befand und die beiden Rokokosessel mit den bestickten Bezügen herunterzupacken. Gertraud fiel ihm aufs Höchste erregt in den Arm. »Lassen Sie das gefälligst! Das ist mein Eigentum!«
»Treten Sie zurück, gute Frau.« Der Soldat blieb ruhig, schob sie von sich und gab dem hinter ihm Stehenden ein Zeichen, der sogleich aufhörte, weitere Gegenstände auf das Eis zu werfen. »Die Regel ist ganz einfach: Hier bleiben oder
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