Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
hochstieg. »Meinst du wirklich, Mama und Louise hätten etwas davon, nach seinem Tod so etwas entgegenzunehmen? Das ist doch reiner Hohn!«
»Aber …«, Anton sah sie verständnislos an. »Ich habe mich selbst dafür eingesetzt! Dein Bruder hat es sicher verdient, er ist ein Held des Vaterlandes … «
»Held hin oder her!«, fauchte Magdalena, die sich jetzt nicht mehr beherrschen konnte, »ich wünschte, er lebte noch und würde nicht geehrt.« Sie brach in Tränen aus. Antons Gesicht verschloss sich beleidigt, sein gelblicher Teint wirkte wie aus Wachs, und hinter der Brille gingen seine Knopfaugen nervös hin und her. »Ich bin erstaunt, dass du so denkst«, sagte er dann kühl und in einem Ton, der Magdalena zur Vorsicht mahnte. Sie durfte sich Anton auf keinen Fall zum Feind machen.
»Entschuldige!«, sie legte die Hand auf seinen Arm und zwang sich zu einem Lächeln, »aber ich bin nach der schlaflosen Nacht wohl etwas mit den Nerven runter. Und Mama ist krank. Ich weiß nicht, ob sie es schafft zu kommen. Aber ich werde beim Festakt natürlich dabei sein – mit meiner Oma Louise.« Hastig fügte sie hinzu: »Übrigens sollten wir bald einmal in Ruhe einen Kaffee zusammen trinken? Willst du? Natürlich nicht heute – aber sobald ich wieder in Ordnung bin.«
Antons Miene entspannte sich. »Gern. Sag mir Bescheid, wann du Lust hast. Erlaubst du mir, hin und wieder bei dir vorbeizuschauen?«
»Warum nicht?«, Magdalena tat ganz unbeschwert. »Gerne! Ich wollte dich übrigens noch etwas fragen. Komm doch mit in mein Zimmer. Vielleicht kannst du mir einen kleinen Gefallen tun!« Sie nahm seine Hand, zog ihn mit sich und zwinkerte ihm verschmitzt zu. Der fahle Teint Antons rötete sich langsam. »Wenn es in meiner Macht steht«, versuchte er lässig zu bleiben und stieg hinter ihr die Treppen hinauf.
Sie bot ihm einen Platz auf ihrem kleinen Sofa, während sie auf dem zierlichen Rokokosessel vor dem Schreibtisch Platz nahm.
Anton sah sich interessiert um. »Schön hast du es hier. Sind das echt antike Möbel?«
»Ja, ich habe sie selbst zusammengestellt. Ich mag alte Sachen. Übrigens, die Aktion heute Nacht – ich meine, die mit den Juden! Die Kreuzbergers, von denen wir neulich gesprochen haben – die hat man doch sicher auch weggebracht … ich meine, deportiert? Hast du eine Ahnung, wohin?«
»Wieso willst du das denn wissen?«, gab Anton sofort misstrauisch zurück. »Hast du etwa noch eine Verbindung zu ihnen?«
»Ich nicht... aber du weißt ja, Lutz war früher mal mit Hanna befreundet. Er hat noch ein Medaillon von ihr – das möchte ich natürlich auf keinen Fall behalten, du verstehst doch?«
»Klar!« Anton schien zu überlegen. »Also, soviel ich weiß, wurden der Transport nach Minsk umgeleitet – in ein Konzentrationslager! Aber darüber darf ich eigentlich gar nicht reden.«
»Nach Minsk! So weit weg?« Magdalena versuchte, ihre Aufregung hinter einer gleichgültigen Miene zu verbergen. »Warum denn dorthin?«
»Geheimsache!« Das Gesicht Antons verschloss sich. »Es isteine Sammelstelle, in der alle Juden untergebracht werden. Später wird dann entschieden, was mit ihnen geschieht.«
Magdalena fühlte, wie eine kalte Hand nach ihrem Herzen griff. Sie durfte sich jetzt nicht zu weit vorwagen. »Aber … man wird ihnen doch wohl nichts tun?«, fragte sie wie nebenbei.
Anton ging darüber hinweg. »Wir brauchen hier keine Juden. Unsere Stadt wird nach der endgültigen Ausweisung ganz anders sein. Gereinigt – würde ich sagen. Wenn wir endlich unter uns sind, hat jeder Deutsche größere Chancen. Übrigens – das Medaillon kannst du ruhig mir überlassen. Ich gebe es weiter an die Sammelstelle, die sich um die konfiszierten Vermögen des Judenpacks kümmert.«
Magdalena wäre ihm am liebsten an die Kehle gegangen, aber sie beherrschte sich. Es wäre unklug, es mit ihm zu verderben.
»Ich gebe es dir gerne beim nächsten Mal!«
Er wechselte das Thema. »Übrigens – hast du schon von dem neuesten Skandal in Königsberg gehört? Von der Universität Albertina aus sollen Flugblätter gegen das Nationalsozialistische Regime überall in der Stadt verbreitet worden sein.« Empört sah er sie an. »Welche feigen Hunde da wohl dahinterstecken! Wenn du irgendwelche Beobachtungen gemacht hast, oder vielleicht einen Verdacht hast, kannst du mir das ruhig mitteilen.«
Magdalena schüttelte den Kopf, ohne etwas zu sagen, aber ein eisiger Schauer rann ihren Rücken herab.
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