Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
bedeutend besser!« Bei der verschlossenen Miene Louises wagte sie nicht zu fragen, ob sie denn noch nichts gemerkt hatte, von Mamas ständiger Müdigkeit, ihrer schwankenden Teilnahmslosigkeit und vor allem davon, dass sie jeden Tag so stark nach Alkohol roch! Aber so etwas Ungeheuerliches hatte in einer Familie wie der von Waldens eben einfach nicht vorzukommen! Eswar ein Tabu, etwas Unaussprechliches, über das man schwieg, es weitgehend ignorierte.
»Übrigens, Johann hat gekündigt«, wechselte Louise das Thema und zupfte an einem Löckchen ihrer Frisur. »Ich glaube, wir können in diesen unsicheren Zeiten auf einen Diener verzichten. Schließlich geben wir ohnehin keine Gesellschaften mehr.«
Magdalena nickte gleichgültig. Sie hatte andere Sorgen. Sobald es im Haus ruhig war, weil Louise den Speiseplan für die nächste Woche mit der Köchin besprach, nahm sie ein paar Bücher, die sie Hanna bringen wollte, und stieg wieder auf den Dachboden. Wenigstens quietschte und knarrte nun nichts mehr, und wenn man sich vorsah, würde niemand auf die Idee kommen, dass sich hier oben etwas anderes verbarg als altes Zeug, das man vor langer Zeit ausrangiert hatte. Zum ersten Mal sah sich Magdalena genauer in dem engen Raum mit dem winzigen Dachfenster um, in dem man nur gebückt stehen konnte. Alles war staubig und voller Gerümpel. Hinter der vom Tresor verdeckten Tür stand in einer Ecke auch der Eimer für die Notdurft. Im vorderen Bereich hatte Hanna mit Decken und Kissen, so gut es ging, ein Lager für sich und Jakob gerichtet und die Essensvorräte auf ein Tablett gestellt. Der Kleine, den Daumen im Mund, schlief immer noch fest und sah mit seinen roten Bäckchen und den blonden, zerzausten Locken so lieblich wie ein kleiner Engel aus.
»Was soll nun bloß werden?« Hanna sah sie ratlos und mit verzweifelter Miene an. »Vielleicht hätte ich Mama doch nicht allein lassen sollen. Aber ich war so in Panik. Nun weiß ich nicht einmal, wohin man sie gebracht hat – vielleicht ist sie im Judenhaus vor den Toren der Stadt! Die Männer waren so grob zu ihr …«
»Mach dir keine Sorgen. Ich werde Anton fragen, einen Bekannten von mir, der im Kommissariat der NSDAP oben in Quednau arbeitet! Vielleicht kann er sich darum bemühen, dass man deine Mutter zurück nach Königsberg bringt«, beschwichtigtesie Magdalena, die sich einer dunklen Vorahnung nicht erwehren konnte. »Sie ist doch krank, nicht wahr? Ich könnte sagen, dass sie unbedingt ärztliche Hilfe braucht. Es wird alles gut werden. Du und Jakob, ihr seid hier erst mal in Sicherheit.«
»Aber meine Kleider, meine Wäsche – mein Schmuck, Jakobs Sachen! Alles ist noch im Haus. Ich konnte gar nichts mitnehmen … «
»Dann gehe ich einfach hin und hole dir das Nötigste«, sagte Magdalena nach kurzer Überlegung. »Hast du einen Schlüssel?«
»Ja, natürlich. Wenn du das für mich tun könntest!« Hanna ergriff dankbar ihre Hand. »Vor der Haustür ist rechts an der Seite unter einem Rosenbusch ein Stein. Darunter liegt immer ein Ersatzschlüssel!«
Jakob stieß ein leises Wimmern aus und drehte sich auf die andere Seite. Er war von dem leisen Flüstern nicht erwacht, und Magdalena betrachtete sein blasses Gesicht, in dem die Wangen unnatürlich rot wie kreisrunde Flecken leuchteten. In einem plötzlichen Impuls legte sie die Hand leicht auf seine Stirn.
»Ich glaube, Jakob hat Fieber!«, sagte sie unsicher. »Er ist krank. Fühl selbst, er ist ja ganz heiß!« Hanna erschrak, als sie seine kleine Hand in die ihre nahm, an der der Puls wie rasend pochte. »Stimmt! Um Himmels willen, er glüht ja!«, jammerte sie. »Und ich habe gar nichts bemerkt, außer dass er etwas unruhig war. Was hat er bloß?«
»Vielleicht ist es nur die Aufregung!«, beruhigte sie Magdalena. »Wir müssen abwarten, ob es sich von selbst legt. Kinder bekommen leicht Fieber! Gib ihm viel zu trinken! Ich muss jetzt gehen – später komme ich dann wieder, bring Leinenlappen und frisches Wasser mit, damit du ihm vorsichtshalber Wadenwickel machen kannst!« Sie kroch zur Leiter, um hinabzusteigen.
»Jakob, mein kleiner Schatz!«, hörte sie Hanna leise vor sich hin weinen, die vor dem Bruder kniete. »Du darfst doch jetztnicht krank werden – nicht ausgerechnet in diesem Moment – und nicht hier!« Magdalena brach es fast das Herz, als sie ihr verzweifeltes Gesicht hinter der Luke verschwinden sah.
Unten hörte sie plötzlich etwas mit dem lauten Klirren zerbrechenden
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