Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
»An der Universität?«, fragte sie mit matter Stimme und starrte wie gelähmt auf die Buchreihe, hinter der sie die restlichen Flugblätter gelagert hatte. »Weiß man denn, wer … «
»Nein, noch nicht. Ich habe diese unglaubliche Nachricht gestern erhalten und bin gerade dabei, sie genau zu untersuchen«, fuhr Anton, sich ereifernd, fort. »Keine Gnade diesen Verrätern! Aus den eigenen Reihen! Aber wir stöbern sie auf – und sie werden diese Dummheit noch bereuen!«
Er sah auf seine Armbanduhr, stand auf und reichte ihr dieHand. »Ich muss jetzt leider gehen! Meine Mittagspause ist vorbei. Hoffentlich geht es dir bald besser. Du bist wirklich noch ganz blass. Bleib nur, ich finde schon allein hinaus. Auf bald!«
Magdalena nickte mit trockenem Mund und sah ihm nach. Das Blut war ihr aus dem Kopf gewichen, und sie fühlte sich tatsächlich einer Ohnmacht nahe. Die Flugblätter – irgendetwas war da schiefgelaufen. Und was sollte sie jetzt bloß Hanna sagen?
Die Wachen vor dem Bunker waren damit beschäftigt, sich selbst vor den Erschütterungen in Sicherheit zu bringen und so achtete im allgemeinen Durcheinander niemand groß auf Anouschka und Paul. Anouschka schritt in ihrer russischen Offiziersuniform hoch erhobenen Hauptes voraus, während Paul ihr als Gefangener mit gesenktem Kopf wie zu einer Hinrichtung folgte. Rasch durchquerten sie unbehelligt den Sicherheitstrakt bis zur Absperrung, und Anouschka herrschte den dortigen Wachmann an, der mit einem Feldstecher gespannt die Truppenbewegungen in der Ferne beobachtete, sie augenblicklich aus der Gefahrenzone zu lassen. Er gehorchte sofort. Die Wolldecke über den Schultern stellte Paul sich, als sei er immer noch gefesselt. Eine neuerliche Explosion ertönte, und sie rannten jetzt mit großen Schritten zielgerade zu dem wendigen Geländewagen der Marke Ford, zu dem Anouschka die Schlüssel besaß. Ohne sich umzusehen setzte sie sich ans Steuer und gab sofort Gas. Immer noch befand sich die gesamte Bunkerbesetzung im Alarmzustand und versuchte, sich den anrollenden Panzereinheiten mit ihren feuerspeienden schweren Werfern entgegenzustellen. Befehle schallten, und alles lief wirr durcheinander.
Als die Genossin Anouschka Gregorewitsch, deren Ausweis die Soldaten an der Windschutzscheibe erkannten, nun in rasender Fahrt angebraust kam, ließen sie sie ungehindert passieren. Ein kurzes Salutieren – und der Wagen fuhr an den russischenPanzerbatterien vorbei und durfte das Sperrgebiet durchqueren.
Als die beiden Flüchtlinge endlich freieres Gelände erreichten, war hinter ihnen noch einmal eine ohrenbetäubende Detonation zu hören. Als sie sich umwandten, sahen sie mit Schaudern ein gewaltiges Flammenmeer am Horizont auflodern, das aus der Richtung des Felsenbunkers am Meer kam, den sie gerade verlassen hatten.
»Schade um die vielen Sektflaschen, die da unten lagern und die jetzt in die Luft gegangen sind«, sagte Anouschka zynisch. »Sicher hat es deshalb so geknallt.«
»Sekt?« Paul sah sie fragend an.
»Ja. Dein Gefängnis, das 30 Meter tief in den Felsen reichte, war das Depot einer Sektkellerei, bevor wir es im Krieg zu einem Munitionslager, Gefängnis und Lazarett umfunktionierten. Die Bunkeranlagen wurden übrigens direkt in die Felsen der Steilküste der Ssewernaja Bucht hineingehauen!«
»Dabei dachte ich schon, ich hätte mir das Geräusch der Meeresbrandung nur eingebildet!« Er sah sie von der Seite an, und sie erwiderte seinen Blick mit einer zärtlichen Geste, bevor die Fahrt weiter in Richtung des gebirgigen Hinterlandes ging. Anouschka war nervös, sie gab ordentlich Gas, fuhr in hohem Tempo und verlangsamte ihre Fahrt nicht einmal, als der Boden auf der provisorischen Straße uneben und holprig wurde.
Auf der Anhöhe eines buschig bewachsenen Hügels hielt sie schließlich den Wagen an. In einer Felshöhlung befand sich ein kleines, unbewachtes Munitionslager.
»Komm mit mir!« Sie zog ihn mit sich, fiel ihm wie besessen um den Hals und riss sich die Uniformjacke bis zur Brust auf. Es war unmöglich für Paul, ihr zu widerstehen und sie jetzt abzuwehren. Sie sanken atemlos auf den steinigen Boden und liebten sich mit einer Ekstase, als sei es das letzte Mal in ihrem Leben. Anouschka presste sich mit unersättlicher Gier an ihn, sie stöhnte, biss ihn, um ihn dann wieder verzückt zu streicheln, so als müsse sie das Gefühl, das sie beherrschte, in dieser einen Stunde bis zur Neige auskosten.
»Du bist ein Teufelsweib!«,
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