Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
Gesten, um was es sich handeln musste. Was für ein Glück, rechtzeitig aus dieser Hölle entkommen zu sein!
Anouschka schwieg – nur einen kurzen Moment dachte sie an Fjodor, ihren Mann, der das Unglück wahrscheinlich nicht überlebt hatte. Doch sie empfand kein wirkliches Bedauern über seinen Tod.
»Schließt euch uns an, Genossen«, sagte der Vorposten schließlich, »wir ziehen uns hinter die Frontlinie zurück. Dort ist ein Notlazarett eingerichtet, und da wird man uns neu aufstellen.«
Anouschka blieb nichts anderes übrig, als einzuwilligen, um keinen Verdacht zu erwecken. Doch sie behielt den Wagen im Auge, ließ ihre Sachen darin und machte Paul ein Zeichen, dass sie sich im Dunkeln bei der ersten Gelegenheit davonmachen würden. Es gab in den Bergen etliche Dörfer, in denen sie Zuflucht finden konnten.
Als die Nacht hereinbrach, verwickelte Anouschka zwei der sich geschmeichelt fühlenden Wachen in ein kokettes Geplauder, und Paul, der inzwischen noch einige Kanister Benzin aus dem Lager organisiert hatte, machte sie wenig später aus dem Hinterhaltmit einem kurzen Nackenschlag des Pistolenlaufs kampfunfähig.
Mit allen Kräften bemühten sich die beiden Flüchtlinge nun, den leichten Geländewagen so geräuschlos wie möglich vorwärtszurollen, denn das Brummen eines Motors so dicht am Lager wäre allzu verräterisch gewesen. Erst, als sie genügend Abstand hatten, wagten sie ihn zu starten.
Gegen Morgen, nach etlichen mühsamen Kilometern landwärts durch unwegsames, steppenartiges und gebirgiges Gebiet lag plötzlich, in ein enges Felsental eingebettet, ein malerischer Ort vor ihnen, das Tartaren-Dorf Juchary Karales. Müde und erschöpft beschlossen sie, dort zu bleiben. Paul war auf der Hut, denn er wusste, dass in diesem Gebiet auch deutsche Infanterie-Divisionen der 11. Armee untergebracht waren. Es war also angezeigt, die Kleidung zu wechseln; das hieß für Anouschka, ein Kopftuch und einen hässlich verschlissenen Wollrock anzulegen, den sie einer zahnlosen Bäuerin abgekauft hatte, und für Paul, seine deutsche Uniform anzuziehen. Den Ford versteckten sie geschickt zwischen Bäumen und Büschen. Da die freiheitsliebenden Tartaren das bolschewistische Joch hassten und die Deutschen bewunderten, durch die sie sich eine Befreiung durch die russische Übermacht erhofften, gab sich auch Anouschka als Deutsche aus. Nachdem sie einer Tartarenfamilie Geld für eine abgeteilte Unterbringung in ihrem einfachen, ein wenig abseits des Ortes liegenden Holzhäuschen geboten hatten, das eher einer komfortablen Bretterbude glich, schien sie vor allem erst einmal glücklich zu sein, Paul nun ganz für sich zu haben.
Die kinderreiche Tartarenfamilie, bei der sich Anouschka vorsichtshalber als Deutsche ausgab, war freundlich und der Großvater, ihr Oberhaupt, lud das Pärchen sofort zum gemeinsamen Abendessen ein.
Mit Händen und Füßen, einige deutschen Brocken eingestreut, sprach der Alte, dessen Augen vor Hass funkelten, davon, wiesehr sie sich von den Russen unterdrückt und ausgenutzt fühlten, weil diese Kolchosen errichteten und ihnen alles wegnahmen, was sie besaßen. Die Empörung war gerade groß, weil russische Vernichtungs-Bataillone aus Kriegsgründen rücksichtslos ihre sämtlichen Mühlen und Lebensmittellager zerstört hatten, um die Krim zu räumen.
»Ein Teufelswerk«, ereiferte sich der Alte, »die Religion zu verbieten und aus unserem blühenden Land eine kommunistische Wüste zu machen!«
Mit Anouschka als Übersetzerin berichtete Paul ihm von der Tragödie im Felsenbunker und wie er der russischen Gefangenschaft und Todesgefahr bei der Explosion entronnen war. Der Alte bekreuzigte sich und musterte ihn andächtig. »Gelobt sei Jesus Christus, er hat dich beschützt!«
Während des einfachen, aber ausgedehnten Mahls schweiften Pauls Gedanken jedoch immer wieder ab und kreisten um seine eigene verzwickte Lage. Er hatte von dem Alten erfahren, dass im benachbarten Ort eine deutsche Kompanie einquartiert sei. Dorthin musste er sobald wie möglich gelangen und sich Anouschka vom Hals schaffen, die in ihrer blinden Besessenheit wie eine Klette an ihm hing und ihm in vielerlei Hinsicht im Wege war. Sie wollte eine Liebe von ihm, die er ihr nicht geben und auch nicht länger vorspielen wollte. Wenn man ihn zudem in den Armen einer Russin erwischte, ohne dass er sich vorher bei seiner Truppe gemeldet hatte, war wohl sein Schicksal besiegelt. Noch während des Essens verließ er nach
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