Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
kein Lebenszeichen von Dir erhalten! Du fehlst mir so sehr, und ich kann nicht nur vor Sehnsucht keine Nacht mehr schlafen, sondern auch vor Sorge. Deine schönen Verse trage ich immer bei mir, direkt an meinem Herzen! Ich habe sie wieder und wieder gelesen. Sie sind für mich ein Zeichen Deiner Liebe! Ich bete jeden Abend um Gottes Schutz für Dich. Man hört hier die schlimmsten Berichte über den Kampf an der Krim …‹
Magdalena ließ mutlos den Stift sinken. Warum schrieb Paul auf einmal nicht mehr? Warum antwortete er nicht auf ihre Briefe? Was war passiert? Immer mussten sich alle Widerstände, alles Schlimme auf einen Schlag zusammenballen! Seufzend schob sie das Briefpapier beiseite, holte Pauls Bild aus der Schublade und betrachtete es voll Innigkeit. Der zuversichtliche Blick seiner blaugrauen Augen, sein Lächeln ließen ihr diesmal die Tränen in die Augen treten. Sehnsucht und Kummer überwältigten sie, und leise vor sich hinschluchzend sank ihr Kopf auf ihre verschränkten Arme.
Geräusche von draußen, Kichern und exaltiertes Lachen ließen sie zusammenfahren. Lauthals und einander schubsend, polterten Gertraud und ihre Freundin über die Treppe, zwei ungebärdige Halbwüchsige, die schon den ganzen Nachmittag das Haus unsicher machten, wenn sie sich entweder in der Küche Brote strichen, im Bad neue Frisuren ausprobierten oder gerade da auftauchten, wo man sie nicht vermutete. Theo hatte sich schon ein paar Mal altklug über den Lärm, den seine Schwester machte, beschwert; jetzt brütete er noch über seinen Hausaufgaben und wartete auf den Moment, wo sein Freund läuten und ihn zu einer Kundgebung der HJ mitnehmen würde. Eigentlich war er ja noch Pimpf, fühlte sich aber schon ungeheuer wichtig in seinem Streben, bald ein vollwertiges Mitglied zu werden.
Magdalena horchte ungeduldig auf die Geräusche vor ihrem Zimmer, auf der Treppe und im Salon. Sie musste warten, bis es im Haus still wurde, bevor sie unbeobachtet zu Hanna auf den Dachboden klettern konnte. Wie mochte es wohl dem kranken Jakob gehen?
Wenigstens war Louise mit einer Bekannten in der Stadt Kaffee trinken und Mama lag im Bett und kurierte offiziell ihreMigräne. So traurig es war – aber in Wirklichkeit schlief sie immer noch ihren Rausch aus, eingedämmt durch die Beruhigungs- und Schlafmittel Dr. Graberts.
Endlich wurde es still, Gertraud, ihre Freundin und Theo waren fort. Magdalena konnte es kaum erwarten, nach oben zu steigen und die Dachluke aufzuziehen. Hannas verweintes Gesicht tauchte auf, stickige, schlechte Krankenluft schlug ihr entgegen.
»Oh, Lena!« Hanna warf sich verzweifelt in ihre Arme. »Es ist schrecklich, so eingesperrt zu sein und sich nicht helfen zu können! Ich bin halb wahnsinnig vor Angst – wollte schon klopfen, die Luke öffnen, irgendetwas tun! Wir brauchen dringend einen Arzt! Jakob ist benommen – er atmet so schnell und macht dabei ganz komische Geräusche! Sieh nur!« Magdalena warf einen Blick auf den hochroten, mit offenem Mund daliegenden Jungen, dessen Brust sich röchelnder, schneller Atem entrang, und erschrak. »Was ist mit den Essigumschlägen?«, fragte sie.
»Hat nichts genutzt – das Wasser ist mit der Zeit warm geworden. Hier oben ist es ohnehin so heiß, wenn die Sonne hereinscheint!« Hanna wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich halte es in diesem Loch nicht mehr länger aus!«, rief sie mit erstickter Stimme aus. »Lieber melde ich mich und gehe zu Mama ins Lager! Dort gibt es bestimmt einen Arzt.«
»Komm!« Trotz eines Anflugs von Panikstimmung versuchte Magdalena, Ruhe zu bewahren, und legte Hanna tröstend den Arm um die Schulter. »Du darfst jetzt auf keinen Fall die Nerven verlieren. Jakob braucht so schnell wie möglich ärztliche Hilfe. Ich bringe ihn einfach zu Dr. Friedländer ins Kinderkrankenhaus. Er ist Jude und wird uns bestimmt nicht verraten!«
Hanna sah sie zweifelnd an. »Aber wie willst du das denn machen?«
Magdalena ging nicht darauf ein. »Hier, ich habe dir Tabletten mitgebracht, die ich in Louises Hausapotheke gefunden habe. Zerreibe ein Drittel der Tablette zu Pulver, mische es mitWasser und versuche, Jakob etwas davon einzuflößen. Es ist ein Schmerzmittel, aber es wirkt zugleich fiebersenkend. Warte ein paar Minuten und dann wickelst du Jakob in eine Decke.« Sie schwieg und überlegte kurz. »Wir haben im Keller noch einen alten Kinderwagen – dort hinein lege ich ihn und fahre ganz ruhig mit ihm zum Krankenhaus. Inzwischen
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