Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
sollte.
Der Arzt trat näher und warf einen kurzen Blick auf Jakob, der die Augen verdrehte und leise zu wimmern begann.
»In der Tat, das ist unschwer zu erkennen!«, sagte er kurz und begann, seinen Puls zu fühlen. »Sind Sie die Mutter?«
»Nein – aber er ist der Sohn meiner jüdischen Freundin …«, wollte Magdalena erklären, doch der Arzt unterbrach sie. »Ich verstehe! Und welche Beschwerden hat er?«
»Er fiebert... und jetzt atmet er so seltsam …«
»Halten Sie ihn fest und versuchen Sie, seinen Mund zu öffnen!«, unterbrach Dr. Friedländer.
Jakob wimmerte stärker, doch der Arzt hatte bereits einen Blick in seine entzündete, mit dickem weißem Belag bedeckte Mundhöhle geworfen. »Diphtherie«, stellte er kurz fest und legte seine Hand auf die Stirn des Jungen. Dann sah er Magdalena ernst an. »Ich will ehrlich sein: Es sieht nicht gut für ihn aus. Wie lange ist er schon krank, und seit wann ist er in diesem Zustand?«
»Seit … vorgestern! Es ging ganz schnell. Wir haben es mit Wadenwickeln versucht, aber das half nicht!«
»Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass er es schafft. Seine Natur scheint ziemlich schwächlich. Lassen Sie ihn hier – geben Sie mir Ihre Adresse, Namen und Telefonnummer, damit ich Sie benachrichtigen kann.«
»Nein, das … das geht nicht!« Magdalena ließ sich ohne Aufforderung auf einen Stuhl fallen. »Ich glaube, ich muss Ihnen die Wahrheit gestehen. Der Junge heißt Jakob – und wie ich schon sagte – er ist aus jüdischer Familie. Seinen älteren Bruder Felix hat man bereits verhaftet. Und seine Mutter wurde gestern mit einem Lastwagen abgeholt und in ein Lager gebracht. Wohin, das weiß niemand! Das Haus ist konfisziert – es ist schrecklich.«
»Und was haben Sie damit zu tun?«
»Ich?« Magdalena sah ihn erstaunt an. »Aber ich musste doch helfen – ich kenne die Leute schon so lange. Es sind Königsberger Bürger! Jakobs Schwester Hanna geht mit mir zur Universität! Ich habe sie mit dem Kleinen an einen sicheren Ort gebracht …«
»Das ist sehr nobel von Ihnen! Aber wissen Sie, was Ihnen blüht, wenn jemand erfährt, was Sie da tun?« Der Arzt ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. »Außerdem bringen Sie auch mich in eine schwierige Situation. Ich bin selbst Jude … aber man hat mich bis jetzt in Ruhe gelassen. Man wird mir nichts anhaben, solange man mich braucht! Aber ich hätte Deutschland mit meiner Familie schon lange verlassen sollen!« Er trat zum Medikamentenschrank, zog eine Spritze auf und injizierte das Mittel in den dünnen Oberschenkel Jakobs, der zusammenzuckte und sich weinerlich klagend aufbäumte. Dann klingelte er der Schwester, die nach kurzer Zeit eintrat. »Ein Fall von Diphtherie. Bringen Sie den Kleinen auf die Isolierstation und legen Sie eine Infusion an.«
»Jawohl Herr Doktor. Wie heißt das Kind?«
»Alfred, Alfred Meier!«, gab der Arzt anstelle Magdalenas zur Antwort. Er wandte sich ihr wieder zu, als die Schwester die Trage mit Jakob herausgerollt hatte, und seine Augen blickten sie mit einem seltsam hoffnungslosen und müden Ausdruck an. In seinem markanten Gesicht waren plötzlich tiefe, graue Linien zu erkennen. »Man hat auch mich gewarnt, mir nahegelegt, fortzugehen. Aber ich kann doch meine Kranken – alles, was ich hier in Jahren aufgebaut habe, nicht so einfach im Stich lassen!« Er ging zum Fenster und starrte blicklos hinaus. »Ich fürchte nur, wenn alles so weitergeht, wird man mich eines Tages mitten in der Arbeit abführen … «
Magdalena nickte, sie brachte keinen Ton mehr heraus vor Angst, im nächsten Augenblick in Tränen auszubrechen.
Die Züge des Professors hatten wieder seinen berufsmäßig kühlen Ausdruck angenommen, als er sich umwandte. »Wie kann ich Sie benachrichtigen?«
»Ich komme wieder – werde mich nach Jakob … ich meine nach Alfred Meier erkundigen!«
»Alles Gute, mein Kind!« Der Arzt nahm ihre Hand, und Magdalena küsste mit einer impulsiven Geste die seine. »Ich danke Ihnen. Sie sind gut. Retten Sie den Jungen, ich bitte Sie!«, stammelte sie, bevor sie das Ordinationszimmer verließ. Der Arzt sah ihr mit dem Ausdruck eines Mannes nach, der gewohnt ist, die Entscheidungen des Schicksals zu akzeptieren und sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Er seufzte. Wohin würde das alles führen? Ein Damoklesschwert mit dunklen Vorzeichen stand am Himmel, an dem drohende Wolken wie eine riesige Woge der Vernichtung heranzogen. Obwohl er sie
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