Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
üble Geruch, der sich rasch zersetzenden, zu Hunderten umherliegenden Leichen war penetranter geworden und raubte ihnen den Atem. Hans, dessen Bein durch die Anstrengung neu in den Verband hineinblutete, hinterließ rote Spuren auf dem trockenen Fels. Außer dornigem, vertrocknetem Gestrüpp zeigte sich an den verkrusteten Abhängen weder Baum noch Strauch, der Schutz bot.
Wie einen Rettungsanker umklammerte Hans Pauls Gürtel, den dieser fest um seine Hand geschlungen hatte. Er fühlte jedoch, wie seine Kräfte durch die ungewohnte Anstrengung stark abnahmen. Gepeinigt durch höllischen Durst, der durch seinen Blutverlust noch verstärkt wurde, sah er schwarze Punkte vor seinen Augen tanzen und fürchtete zu mehreren Malen, das Bewusstsein zu verlieren. Sein Leben hing jetzt nicht an einem seidenen Faden, sondern an dem Ledergürtel, mit dem ihn Paul, selbst bis zum Äußersten erschöpft, hinter sich herzog.
Auf dem zweiten Felsvorsprung, wo sie völlig außer Atem rasten mussten, lag eine Höhle, ein verlassenes Munitions- und Waffenlager der Russen mit aufgesprengter Bunkertür. Zunächst sanken beide vor der ein wenig Schatten gebenden Höhle zusammen, doch als sie sich umsahen, wichen sie vor dem grausamen Bild, das sich ihnen bot, zurück. Wieder hatten sich hier die russischen Höhlenbesetzer selbst in die Luft gesprengt, als ein deutscher Sturmtrupp eindringen wollte. Unter den zahlreichen Toten, die hier lagen, befanden sich diesmal auch die bedauernswerten Opfer deutscher Soldaten, die nur noch an der Uniform und den Stahlhelmen zu erkennen waren. Sie hatten ihren Mut, als Erste in die Höhle einzudringen, mit dem Leben bezahlt, und ihre Angehörigen würden über ihren sinnlosen Tod weinen! Über zahlreiche Kadaver und herausgeschleuderte Steine hinwegsteigend, kletterte Paul ins Innere der Höhle, um nach Resten von Proviant und Getränken zu suchen, während Hans erschöpft und angewidert liegen blieb. Auf jeden Fall schien es hier keine Überlebenden mehr zu geben, und er konnte sich nur noch mit ein paar Handgranaten versorgen, die er in seine Taschen stopfte. Im Hintergrund entdeckte er unter einem Haufen Glassplitter auch eine Flasche Wodka. Er köpfte sie an der Felswand und brachte sie zuerst Hans, der apathisch und wie leblos am Boden lag und gierig davon trank, bevor er auch selbst einige Schlucke nahm, die ihm sofort zu Kopfe stiegen. Der Alkohol verlieh ihm jene lockere Gleichgültigkeit der Gefahr gegenüber, die er normalerweise vermied. Aber diesmal nahm er ihm die Angst vor dem schmalen, kaum erkennbaren Pfad am bröckeligen, ungesicherten Rand des Abgrunds. Die Trittspuren in dem abschüssigen Gelände führten jetzt steil aufwärts. Den Blick nur einen halben Meter voraus auf den Boden gerichtet, setzte er vorsichtig Schritt für Schritt, während Hans ihm stöhnend und fluchend folgte. Über der grauen Wand in schroffer Höhe leuchtete jetzt ein blauer Himmel ohne die kleinste Wolke, und die Herbstsonne blendete unangenehm. Hans brach von Zeit zu Zeit kraftlos in die Knie, sich mit einer schweißnassen Hand verzweifelt an die dürren Zweige eines stacheligen Gestrüpps klammernd und mit der anderen an Pauls Gürtel.
Als sich beide gerade auf der Mitte eines schmalen Grates zwischen zwei Felsabhängen befanden, tauchte plötzlich hinter einer Biegung eine zerlumpte Gestalt mit tiefbraunem, ledernen Gesicht aus einer Felsenhöhle auf. Alle erschraken gleichzeitig. Paul blieb stehen, da nur ein einziger falscher Schritt ihn in das türkisgrün schimmernde Meer katapultieren würde, dessen schaumgekrönte Wellen gierig an den spitzen Felsen leckten. Der Partisanetrat zurück, griff nach seiner Waffe, doch diese hastige Bewegung hatte einen Stein unter seinen Füßen ins Rollen gebracht. Erde bröckelte herab, er strauchelte und fiel taumelnd, mit einem lang gezogenen Schrei und rudernden Armen, kopfüber in den Abgrund, wo er platschend auf der gurgelnden, grünlichen Wasseroberfläche aufschlug und sofort versank. Eine Lücke klaffte nun auf dem Grat und trennte den Pfad in zwei Teile. Paul, sich an einen Felsen klammernd, war geistesgegenwärtig hinübergesprungen, doch Hans, dem das andere Ende des Gürtels aus der Hand geglitten war, befand sich noch auf der anderen Seite. Er war in die Hocke gegangen und starrte in die aufgewühlten Wassermassen unter ihm, die den Fallenden wie der Rachen eines bösen Tieres verschlungen hatten. Er begann, am ganzen Körper zu zittern. Ein Sog
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