Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
Er griff zu, schlang das Ende um seine Hüften und knüpfte es zusammen. Schon schwebte er über dem Abgrund.
»Hans!«, brüllte er zu dem schon halb Besinnungslosen hinunter. »Halt aus, bald haben wir es geschafft.« Ein zweites Seil sank herab. Er packte es und warf es ihm zu. Wie ein schlaffes Bündel hing auch Hans kurz darauf über den Felsen, während von oben die Seilwinde in Gang gesetzt wurde. Sie waren oben! Ein Glücksgefühl, als wäre er in diesem Moment neu geboren, durchzog Paul. Davongekommen – wieder einmal! Er schickteeinen Dankesblick zum immer noch wolkenlos blauen Himmel und fiel den Kameraden völlig erschöpft in die Arme.
Hans, dessen verletztes Bein nach all der Anstrengung stark blutete, war jetzt so schwach, dass man ihn auf eine Trage betten musste.
Erst am Abend, als alle zutiefst erschöpft, bei doppelter Verpflegung und einer Ration Wein zur Belohnung, ihr Quartier bezogen hatten, spürte Paul auch seine eigene Verletzung, die er bis dahin verdrängt hatte. Es war zwar nur ein Kratzer an der Schulter, aber Schmutz war eingedrungen. In der Nacht begann es darin zu pochen, er fror und spürte, wie er leichtes Fieber bekam. Am nächsten Morgen wurde auch er ins Lazarett eingewiesen und traf so wieder mit Hans zusammen, der ihm blass und mitgenommen von seiner Pritsche entgegensah. Sein Bein war verbunden, und der Arzt hatte ihm die Kugel, die zwar nur oberflächlich, aber dennoch schmerzhaft im Oberschenkel steckte, entfernt. Jetzt musste er sich allerdings noch von dem nicht unerheblichen Blutverlust erholen, den er durch die unfreiwillige Kletterpartie erlitten hatte. Paul erhielt auf seine Bitte ein Lager neben dem neu gewonnenen Freund, der sich immer wieder für die Rettung seines Lebens bedankte, das er bereits abgeschlossen glaubte.
Pauls Fieber blieb noch in leichter Form bestehen; er war von den Strapazen der letzten Wochen körperlich sehr erschöpft und hatte auch an Gewicht verloren. Der Stabsarzt schrieb ihn eine Zeit lang krank, damit er sich erst einmal erholte. Nach den hinter ihm liegenden Ereignissen, den blutigen Kämpfen, die in diesen Wochen ausgefochten wurden, war er allerdings auch nicht sehr erpicht, sofort wieder ins Gefecht geworfen zu werden.
In der Baracke des Lazaretts ging es allerdings keineswegs ruhig zu – es lagen dort fast fünfhundert Patienten, zum größten Teil Schwerverletzte auf engem Raum. Sie wurden von zumeist rumänischen Sanitätern und fünf Krankenschwestern betreut,die fast unablässig Dienst tun mussten. Die Verhältnisse waren beengt, die Verwundeten stöhnten die ganze Nacht, und die Operationen erfolgten fast ohne Pause.
Draußen, an der Küste der Krim ging die Schlacht weiter, wurde verbissen um die Festung gekämpft. Würde es tatsächlich gelingen, diese vom Meer geschützte, Eisen und Feuer spuckende Bastion aus Felsen und Beton ganz einzunehmen?
›Meine liebste, über alles geliebte Magdalena!
Ich schreibe Dir heute aus dem Lazarett in Simferopol – aber erschrick nicht, mir ist nichts Schlimmes geschehen. Ich habe wieder einmal Glück gehabt und Gott hat mich bei dem riskantesten Unternehmen, an dem die 11. Armee bisher beteiligt war, beschützt. Nur ein kleiner Kratzer an der Schulter und leichtes Fieber erinnern mich noch an die Überfahrt in der Nacht am stürmischen Meeresufer der Küste der Krim, wo wir mit Sturmbooten hinter dem Panzergraben, den die Russen zu unserer Abwehr errichtet hatten, von der Seeseite her landeten. Als unser Boot als einziges einen Treffer erhielt, habe ich mich mitten durch die hohe Brandung ans Ufer gerettet und das, obwohl ich gar kein guter Schwimmer bin!
Nun sind wir der Eroberung von Sewastopol, der »stärksten Festung der Welt«, mit seiner Unzahl von kleinen Bunkern und Befestigungen, die rundherum ein weites Gebiet abdecken, schon ganz nahe gekommen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das mit allen militärischen Finessen ausgestattete Fort in den nächsten Tagen ganz einnehmen werden.
Stell dir diese uralte Festung hellenischen Ursprungs einmal vor – wie sie am blauen, weiten Meer liegt – ein Denkmal der Geschichte! Schon seit Jahrhunderten wurde sie von Tartaren, Römern und Engländern berannt und belagert! Es ist ein erhebender Gedanke, ein solches Monument zu erobern, aber dieser Kampf ist erbittert und grausam.
Jetzt liege ich hier und habe Zeit, an Dich zu denken, mir Dein liebes Gesicht vorzustellen und von Dir zu träumen! Meine Sehnsucht ist immer da, wo Du
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