Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
zusammen.
»Ich erkläre es dir später, aber jetzt tu gefälligst, was ich dir sage!« Der Ton war drohend, und Gertraud drehte sich auf dem Absatz herum und verschwand hinter der Tür.
»Hanna, du musst sofort das Haus verlassen! Die Polizei wird vielleicht schon bald hier sein. Jemand hat dich gesehen, dich verraten … «
»Aber wo soll ich denn hin …« Hanna sah von einem zum anderen und ihre Stimme klang verzweifelt.
»Morgen geht dein Schiff nach Dänemark und von dort nach Schweden. Da bist du vorläufig in Sicherheit. Ich habe deinen falschen Pass. Bitte Louise«, flehte sie die Großmama an, »bring hier oben alles in Ordnung, damit keine Spuren zu sehen sind, wenn man das Haus durchsucht! Stopf einfach alles in den großen Sack.«
Ohne ein weiteres Wort zu erwidern, begann diese hastig, alles einzusammeln und aufzuräumen.
Magdalena zerrte die völlig verwirrte Hanna hinter sich her die Treppe herunter. »Komm, wir müssen gleich zum Hafen! Besser, du verbringst den Rest des Tages und die Nacht dort – irgendwo hinter alten Tonnen oder Kisten. Es ist ja nur für ein paar Stunden!«
Gerade als sie die Tür öffnen wollten, war draußen Motorengeräusch zu hören. Magdalena lief ans Fenster. Ein Polizeiwagen hielt mit quietschenden Bremsen und zwei Männer vom Sicherheitsdienst in feldgrauer SD-Uniform sprangen heraus und kamen raschen Schrittes auf die Villa der von Waldens zu. Es klingelte Sturm. Hanna stieß einen unterdrückten Schrei aus und begann leise zu schluchzen. »Lass mich! Ich gehe freiwillig mit!«
»Du spinnst wohl!«, Magdalena packte sie grob beim Handgelenk. »Wenn sie dich hier finden, müssen wir alle ins Gefängnis. Mitgefangen, mitgehangen!« Sie zerrte Hanna in den Flur zur Kellertür. Dort gab es noch einen Hinterausgang für die Lieferanten. Wenn die SD-Leute nicht daran gedacht hatten, würde es vielleicht möglich sein, sie dort hinauszuschmuggeln. Sie drückte ihr den falschen Pass in die Hand. »Steck das ein und verlier es bloß nicht – das ist lebenswichtig! Du heißt jetzt Anna Fischer!« An der Garderobe sah sie den Schultornister und die Kappe mit dem HJ Zeichen von Gertraud hängen. »Hier, setz das vorsichtshalber auf! Und schnall dir den Tornister um!«
Hanna gehorchte, stocksteif vor Angst und Aufregung. Sie stolperte hinter Magdalena die dunkle Kellertreppe hinunter, während die Tür hinter ihnen zufiel. Sie hatten kein Licht gemacht. Vorsichtig trat Magdalena als Erste durch die unter Efeuranken ein wenig versteckt liegende, niedrige Tür, die in den Garten führte und stieg die Stufen empor. Sie schrak zurück. Tatsächlich befand sich auf der Rückseite des Anwesens ein Polizist, der gelangweilt auf der Straße auf und ab schritt. Die beiden SD-Leute warteten immer noch im Vorderbereich auf das Öffnen der Tür.
Eine Gruppe lachender und sich neckender Grundschüler kam in der Ferne angetrottet.
»Siehst du die Kinder?«, flüsterte Magdalena. »Wenn der Polizist dir den Rücken zudreht, läufst du los. Du könntest es bis zu dem Baum da an der Kreuzung schaffen. Dann tust du so, als gehörtest du zu den Schülern. Du bist klein – schließ dich ihnen an, niemand wird es merken.«
Hanna nickte tapfer.
»Warte noch!« Sie nahm Hannas dickes Haar, teilte es und flocht es in fliegender Eile auf jeder Seite zu einem lockeren Zopf. Die Zöpfe ragten nun unter der Mütze hervor und verliehen Hanna ein kindliches Aussehen. Hastig flüsterte sie ihr zu: »Dr. Friedländer hat mir alles erklärt. Im Hafen liegt ein Schiff mit Namen ›Donau‹. Es geht morgen früh nach Kopenhagen. Frag nach einer Familie Brückner und schließ dich ihr an. Sofort bei deiner Ankunft in Kopenhagen musst du dich an das Bispebjerg Hospital wenden. Merk dir den Namen gut! Die helfen dir weiter, organisieren die Transporte für die Flüchtlinge, die Überfahrt mit der ›Batory‹ nach Schweden. Das ist eine polnisch-amerikanische Linie, die auf der Fahrt nach Amerika Kopenhagen und Schweden anläuft. Jetzt geh – zum Hafen! Versteck dich da – wir sehen uns morgen früh! Ich komme hin und bringe dir das Geld für die Überfahrt nach Schweden mit!«
»Aber wo?«, flüsterte Hanna ängstlich.
»Weiß nicht. Irgendwie werde ich dich schon finden!« Magdalena blickte angestrengt zu dem Polizisten hinüber, der, die Hände auf dem Rücken verschränkt, gerade wieder seinen Marsch auf der anderen Straßenseite aufnahm. Die schwatzenden Schüler waren jetzt ganz
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