Königsberger Klopse mit Champagner (German Edition)
nah.
»Los!«, flüsterte sie der zitternden Hanna zu und schob sie mit einem Ruck vor. Halb auf Zehenspitzen lief das Mädchen nun mit großen Schritten durch den Garten, von dort über die Straße. Der Mann vom Sicherheitsdienst hatte Schritte gehört, doch als er sich umwandte, sah er nur eine Gruppe Schüler mit braunen HJ-Baskenmützen, die gerade in die Allee einbog. Er suchte mit den Augen kurz die Villa und deren Umgebung ab, doch als sich nichts Verdächtiges zeigte, wandte er sich wieder ab und zuckte die Achseln. Man musste schließlich jeder Denunziation nachgehen, auch wenn manchmal die dümmsten Falschmeldungen darunter waren!
Erst, als die SD-Männer so heftig gegen die Tür polterten, als wollten sie sie aufbrechen, öffnete Louise und setzte eine indignierte Miene auf. Die alte, vornehm wirkende Dame mit den sorgfältig frisierten grauweißen Haaren, der man immer noch ansah, dass sie in besseren Zeiten eine Schönheit gewesen sein musste, blickte sie durch ihre goldumrandeten Brillengläser ein wenig strafend an. »Aber meine Herren! Was gibt es denn so eilig!«
»Hausdurchsuchung! Sie werden verdächtigt, Juden zu verstecken!«
»Was?«, Oma Louise machte ein empörtes Gesicht. »Das ist ja unerhört! Aber bitte, wenn Sie das glauben, meine Herren, dann sehen Sie sich doch überall um. Darf ich bitten!« Sie öffnete die Tür einladend weit, nicht ohne einen vorwurfsvollen Blick zum Nachbarhaus hinübergeworfen zu haben, wo Frau Schmitz breit, die Ellenbogen auf ein Kissen gestützt, auf der Balkonbrüstung thronte und mit triumphierender Genugtuung hinüber blickte. Dann folgte sie den beiden Männern und versetzte im Vorübergehen dem fest mit einem Knoten zusammengebundenen Jutesack mit der Aufschrift »Grüne Erbsen« einen energischen Tritt, damit auch sein letzter Zipfel noch in der Speisekammer verschwand.
Magdalena, die hinaufgerannt war und sich, völlig außer Atem, in ihrem Zimmer an den Schreibtisch gesetzt hatte, tat so, als schriebe sie eifrig an ihrem Referat über den Einfluss des Philosophen Voltaire auf Friedrich den Großen. Hinter der halb geöffneten Tür lauschte sie jedoch gespannt nach draußen und hörte die beiden Uniformierten rumoren, die nach einer Weile auch die Luke zum Dachgeschoss öffneten und hinaufstiegen. Louise war ihnen mit unguten Ahnungen gefolgt. Hoffentlich hatte sie so schnell nichts übersehen oder gar liegen gelassen! Es war ja schließlich nicht mehr viel Zeit gewesen, alles zusammenzuraffen und in den Jutesack zu stecken! Gerade eben war es ihrnoch gelungen, eine Schicht Erbsen über seinen Inhalt zu streuen und den Sack in die Speisekammer zu werfen.
Gertraud war inzwischen aus ihrem Zimmer getreten und schaute den Männern mit verschränkten Armen zu. Sie hatte einen merkwürdigen, beinahe verächtlichen Zug um den Mund und warf ihrer Großmutter vorwurfsvolle Blicke zu. Einer der Männer war gerade vom Dachboden heruntergeklettert und hielt Louise das Amulett mit dem Marienbild unter die Nase. Er öffnete es. »Was ist denn das hier?« Im Innern zeigte sich das Bild Hannas, die den Betrachter darauf glücklich anlachte. Louise zuckte wie zu Eis erstarrt die Schultern. Der Mann nahm ein Foto aus seiner Tasche und verglich es mit dem des Amuletts. »Das ist doch Fräulein Kreuzberger – genau die, die wir suchen. Was sagen Sie denn dazu, gnädige Frau?«
Louise verlor keinen Augenblick die Contenance. »Selbstverständlich ist das Hanna. Sie war die ehemalige Freundin meines Enkels Lutz. Er ist für das Vaterland gefallen!«
»Und was macht dieses Amulett dann auf dem Dachboden?«
»Das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen. Vielleicht ist es aus seiner Kleidung gerutscht! Nachdem die traurige Nachricht kam, haben wir seine ganzen Sachen, die man uns in einer Pappschachtel sandte, dort oben aufbewahrt.«
Der SS Mann kratzte sich unschlüssig am Kopf. Er wusste nicht recht, ob er Louise glauben sollte oder nicht. »Konfisziert!«, stellte er fest. »Weitersuchen! Los, in den Keller!« Akribisch untersuchten die beiden Männer jeden Winkel des Hauses, schauten in jedes Zimmer, unter jeden Tisch, jeden Schrank. Louise hatte sich mit ihrer Strickarbeit würdevoll in ihren Sessel gesetzt. Stricken beruhigt die Nerven, hatte sie früher immer gesagt, und jetzt verbarg das Hantieren mit den Nadeln geschickt das Zittern ihrer Hände.
Nachdem die beiden SD-Leute alle Räume auf den Kopf gestellt hatten, ohne etwas Verdächtiges zu finden,
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