Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
Vom Netzwerk:
Charlottenburger Gastwirte kämpften einen schier aussichtslosen Kampf gegen die Leere in Küche und Keller. Nach zwei Misserntenherrschte bitterste Not bei den einfachen Leuten. Eine nie dagewesene Teuerung machte Brot, Butter, Eier, Hirse oder Graupen so gut wie unerschwinglich. Und die Preise stiegen unaufhörlich weiter. Schlechte und unsichere Transportwege kamen erschwerend hinzu. Die in der Nacht unbeleuchtete Straße nach Berlin lieferte den idealen Ort für Raubüberfälle.
    Die Schlossküche hingegen erhielt nicht nur Fleisch, Brot, Milch, Mehl, Flussfisch und frisches Gemüse auf dem Spreeweg in gesicherten Booten, sondern wurde auch durch eine eigens beauftragte Hamburger Firma mit feinsten Delikatessen wie Trüffeln, englischem Käse, Räucherfleisch, Austern, eisgekühltem Seefisch oder Hummer beliefert, die alle paar Tage in streng bewachten Transportwagen ankamen. Der königliche Geheime Kämmerer und Oberschatullenverwalter Michael Gabriel Fredersdorff bewältigte die Organisation der hochherrschaftlichen Genussmittelversorgung spielend neben seinen sonstigen Aufgaben. Freilich standen ihm ganz andere Druckmittel und Hilfskräfte zur Verfügung als jedem normalen Wirt.
    Vorsichtig, um die noch auf dem Stroh schlafende Tochter nicht zu wecken, stahl sich Langustier aus der Kammer und stieg hinunter in die Wirtsstube. Vorsorglich hatte er einen kleinen Proviantbeutel mitgenommen, um seine gewohnte Frühstückszeremonie nicht entbehren zu müssen. Die Wirtsleute, die schon längst mit ihren schmalen Küchenvorbereitungen zugange waren, schauten erst verwundert, ließen sich dann jedoch rasch überreden, etwas Kaffee mit ihm einzunehmen. Als er überdies noch eine geräucherte Mettwurst, einen Laib Brot und eine Kugel holländische Butter aus dem Leinensäckchen zutage förderte, hellten sich ihre Mienen vollends auf.
    »So ein Festmahl an einem so traurigen Tag«, seufzte die Bärenwirtin zu ihrem Manne hin.
    »Weshalb traurig?«, fragte Langustier, der als Elsässer dem deutschenIdiom relativ gut folgen konnte, wenngleich ihm die örtlichen Verballhornungen desselben nicht immer auf Anhieb erklärlich waren.
    »Na, gestern Abend haben die Jäger im Tiergarten, da wo es zur Fasanerie hingeht, einen von den hohen Adjutanten hingestreckt gefunden. Zwei von ihnen, die spät hier einkehrten, haben es erzählt.«
    »Denken se sich man bloß«, ergänzte der Wirt vielsagend, während seine Gattin vervollständigte:
    »Mitten mang ins lebendige Herz ist der arme Mensch getroffen worden!«
    »Ein Unglück – eine verirrte Flintenkugel«, konstatierte der Wirt. Langustier indes war sehr ernst geworden und schüttelte bedächtig den Kopf. Zwei Schüsse tönten in seiner Erinnerung. Das Geschaukel der Berline war wieder da und der fluchende Kutscher, der sich bemühte, die scheuenden Rappen im Zaum zu halten. Das Fräulein von Sonsfeld mit dem hohen, vom Bier entfesselten Stimmchen hatte gerade noch vernehmlich etwas von Fasanerie und von Kasuaren gepiepst – was immer das für Viecher sein mochten: A propos: Singvögel, Zeisige, waren zu hören gewesen! Langustier ließ die Szene vor seinem inneren Ohr wieder aufleben.
    »Das glaube ich nicht«, erlaubte er sich nach sorgfältiger Überlegung zu bemerken.
    »Ich habe, da bin ich sicher, in der Kutsche beim zufälligen Vorbeifahren in jenem Wald zwei Schuss gehört: Das war kein Schießgewehr, sondern eine Pistole. Ich denke, es ist absichtlich geschossen worden. Mit einer Pistole im Duell.«
    Der Wirt hob beide Hände wie zur Abwehr und berlinerte vor Schreck:
    »Det muss ick unjelogen sein lassen!«
    Mit diesem für Langustier sibyllinisch bleibenden Urteil verfiel man in Schweigen, was aber dem Genuss von Kaffee und Wurstbroten keinerlei Abbruch tat. Wirt und Wirtin bedachten bei sichdie Konsequenzen der Langustierschen Vermutung. Dieser jedoch fieberte vorerst nur dem Wiedersehen mit seinem böhmischen Grafen entgegen, wovor alles Übrige in die Bedeutungslosigkeit zurücktrat. Er versuchte, sich das bevorstehende Treffen auszumalen, was ihm aber nicht gelang.
    Gegen sechs Uhr verließ er den ›Blauen Bären‹ und ging geradewegs auf das Schloss zu. Mehr noch als am Vorabend empfand er jetzt die für hiesige Verhältnisse beeindruckenden Dimensionen des Gebäudes, bemängelte freilich bei sich, dass die Symmetrie nur im mittleren Teil vollständig war und dem länglichen Baukörper zur Linken eine Entsprechung auf der rechten Seite völlig fehlte.
    Der

Weitere Kostenlose Bücher