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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Doch schon wenige Momente später dominierte wieder der schier unbezwingliche, ohnmächtige Schmerz über den Verlust, den sie – gleich ihren Freundinnen – bei diesem schrecklichen Zweikampf, dem Geliebten aufgezwungen durch einen scheinbar hoffnungslos Eifersüchtigen, erlitten hatte.
    Was hatte ihr Falckenberg bedeutet, wie hatte sie die Freundin um ihn beneidet? Alles hätte sie getan, ihm ebenso zu gefallen. Die Liebesdienste, die sie Charlotte geleistet hatte: das Wachestehen, wenn sie sich an entlegenem Orte mit Falckenberg traf, das Ausspionieren der feindlichen Marquardschen Winkelzüge – aus Liebe zu ihm war es geschehen. Zur Liebesgöttin hatte sie gefleht, dass er es bemerken und sie innerlich zu sich erheben möge.
    Marquard hatte mit seiner Tat nicht allein das Leben der Freundin, sondern ebenfalls das ihre zerstört.

IV
    Kaum war der Magister Jakob Adler im Kontor des Buch- und Zeitungsverlegers Ambrosius Haude erschienen, um einige alte Ausgaben der ›Berlinischen Nachrichten‹ zu ergattern, fiel er dem ehrbaren, geschäftigen Mann auch schon mit fruchtlosem Gerede auf die Nerven – wie immer ging es um hypothetische Artikel über Alchemie und Geheimbündelei oder um eventuelle Vorschüsse auf projektierte, nie ernsthaft in Angriff genommene neue Bücher. Haude und sein Redakteur Lamprecht atmeten jedesmal befreit auf, wenn der ungebetene Stammgast wieder verschwand. Weil Adler vor Jahren ein schmales, schlecht gehendes Bändchen mit lateinischen Lehrgedichten bei Haude veröffentlicht hatte, brachte es der gewissenhafte Verleger nicht übers Herz, dem Störenfried barsch die Tür zu weisen. Insgeheim war ihm Adlers Franzosenhass sogar sympathisch, wenngleich er neben den deutschen ›Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen‹ das ›Journal de Berlin‹ verlegte, das vom ständigen Sekretär der Akademie, dem Hugenottenpfarrer Jean Henri Samuel Formey, redigiert wurde. Allerdings behielt Haudes Geschäftssinn stets die Oberhand über seine politischen Ansichten.
    Die Meldung vom pompösen Einzug des französischen Mathematikers Maupertuis, einem der vielen ausländischen Wissenschaftler und Künstler, die vom neuen König an den Hof gezogen und prunkvoll bewirtet wurden, war der Anlass für Adlers Ausfälle. Ansehnliche Räume in Schlossnähe hatte man dem Ausländer und neuen Präsidenten der Akademie der Wissenschaften angewiesen – der mit einer Bande wirklicher Affen, einigen Papageien und chinesischen Katzen angereist war – während deutsche Gelehrte inschmutzigen Kammern versauerten. Eine geräumige Etagenwohnung im Zentrum kostete 300 bis 400 Taler jährlich, während ein königlicher Beamter durchschnittlich nur etwa 120 Taler verdiente. Ein privater Hofmeister kam finanziell niemals in Sichtweite feudaler Behausungen.
    Seine Landsleute scherten den König einen feuchten Kehricht! Indem er sich einen Hofstaat aus fremden Gecken zusammenkaufte, befand Adler, beförderte der Monarch den Untergang des deutschen Geistes. In die Akademie kam bloß, wer sich mit den englischen und französischen Modewissenschaften beschäftigte, mit philosophischer Physik oder mathematischer Philosophie, mit chemischer Mathematik oder sonst einem Unfug für gelehrte Damen und in die Jahre gekommene Kavaliere. Wenigstens halber Franzose oder viertel Italiener musste einer sein, um des Königs Aufmerksamkeit zu erlangen.
    Man brauchte sich die königlichen Zieraffen nur der Reihe nach anzusehen, um diese Behauptung bestätigt zu finden: Pesne, Maupertuis, Jordan, Algarotti und jetzt gar Voltaire – den man der Zeitung zufolge in Kürze am Hof erwartete. Gerade war wieder ein elsässischer Koch hinzugekommen, wie Adler aus der neusten Zeitung ersah.
    Seine Aufnahme in die Akademie war dagegen abgelehnt worden, obgleich er ein aufrechter Philolog war, Latein und Griechisch fließend redete und die Metrik allerwegen vorbildlich beherrschte. Da er den böhmischen Dörfern der Mathematik und Physik abhold blieb, verabscheute und seine Rede vor dem verweichlichenden französischen Zungenschlage in Acht nahm, weshalb ihm, außer beim Fluchen, weder ›Bulljong‹ noch ›Roulade‹ über die Lippen kamen, waren seine Aussichten auf eine akademische Standeserhöhung denkbar gering.
    Die letzte Hauslehrerstelle bei einem Berliner Kaufmann hatte er sich durch seinen Jähzorn verscherzt. Wehmütig gedachte er der feuchtfröhlichen Studienzeit, die noch nicht vom Kampf um Brotund Geld entstellt

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