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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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war, da der väterliche Geldsegen ihn stets pünktlich ereilte. Welch beschwingte Jahre hatte er in Frankfurt an der Viadrina verbracht, welch unbeschwerte an der Hallenser Leopoldina! Nach Wittenberg war er mit den Kommilitonen gezogen und nach Leipzig in Auerbachs Keller, wo Faust einst mit einem Weinfass als Reittier die Treppe bezwungen hatte.
    Einige von Adlers Kommilitonen waren nach der bewegten Kap-Horn-Fahrt ihres Studiums nun ebenfalls in Berlin gestrandet, wo sie als Hofmeister von reichen, ungelehrten Menschen abhingen. Niemandem konnte dieses Los auf lange Sicht behagen. Daher hatten die Leidensgenossen, um sich in ihrem Elend zu verbrüdern und ein Refugium für ihre höheren Gedanken zu schaffen, einen Geheimbund namens ›Litterärische Harmonie‹ ins Leben gerufen. Diese dunkle, gallophobe Akademie, die im Kellergewölbe des ›Kronenwirts‹ ihre Sitzungen abhielt, war ein genaues Gegenteil der weltoffenen königlichen Freimaurerloge. Statt griechische, römische oder französische Logennamen anzunehmen, gaben sich die ›Litterärischen‹ nordische Götternamen. Adler hatte in dieser heroischen Hierarchie als unangefochtener Präsident den Namen ›Odin‹ angenommen.
    Charles Etienne Jordan, königlicher Geheimer Rat und Chef der Berliner Polizei, hatte Tränen in den Augen, als er sich zwei Stunden nach Mittag in den Schlossgarten begab – in einer mehr schwankenden als gehenden Bewegung. Er war ein äußerst gut aussehender, schlanker, hoch gewachsener Mann mit einem schmalen, fein geschnittenen Gesicht, die Nase und die Augenbrauen waren vornehm gebogen, die Augen – etwas eng stehend – braun und empfindsam. Ein Dreitagebart deutete darauf hin, dass seine Zeit nicht überreichlich bemessen war. Obschon seine private Unterredung mit dem König bereits vor dem Essen stattgefunden hatte, war der weichherzige und zartfühlende Mann noch immer einemZusammenbruch nahe. Überdeutlich spürte er wieder einmal, dass ihn sein zweites Amt überforderte.
    Der Sohn hugenottischer Réfugiés war am Rheinsberger Musenhof als Bibliothekar in die kronprinzlichen Dienste getreten. Als heiterer, liebenswürdiger Gesprächspartner war er rasch zum vertrauten Freund und Weggefährten Friedrichs geworden. Der Kronprinz konnte ihm alle Geheimnisse und intimsten Gedanken anvertrauen, ohne je eine Indiskretion oder Unehrlichkeit von seiner Seite befürchten zu müssen. Niemand vermochte zu erklären, warum der junge König gerade diesen sanften, guten, milden und friedliebenden Mann der Bücher im zweiten Amt zum Polizeipräfekten von Berlin ernannt hatte.
    Während der Regierung des Soldatenkönigs hatte die kommunale Selbständigkeit Berlins ein Ende gefunden. Der Magistrat der Stadt unterstand seither dem König. Fünf Jahre waren seit der Neuorganisierung vergangen. Nach dem Vorbild der Pariser Polizei verfügte nun jedes Stadtviertel über einen eigenen, für die lokale Aufsicht zuständigen Beamten. Aus Ergebenheit dem Freund und König gegenüber schickte sich Jordan in die Bewältigung der rauen Pflicht, die Ordnungshüter zu beaufsichtigen und anzuleiten.
    Normalerweise durfte sich der Polizeichef zum Glück ganz der Armen- und Waisenpflege widmen, worin er in der kurzen Frist seit Juni doch bereits einiges geleistet hatte. Gewaltverbrechen waren in Berlin äußerst selten; in der Mehrzahl hatten es seine Polizisten mit Diebstählen, seltener einmal mit einem Raubüberfall zu tun. Auf hundert Freitode im Jahr kamen höchstens ein oder zwei Morde, ungerechnet freilich mehrere Dutzend Kindstötungen. Se. Königliche Majestät hatten aus Barmherzigkeit immerhin das fürchterliche Säcken verboten, das den Not leidenden Müttern bisher als Strafe sicher gewesen war. Unter Friedrich Wilhelm I. hatten sie sich den Sack, in dem sie in der Spree ertränkt wurden, selbst nähen müssen.
    Durch die Nachricht von Falckenbergs Ableben war der zart besaitete Jordan zuinnerst aufgewühlt worden. Da er nichts so sehr fürchtete wie den eigenen Tod, erschütterte ihn der Fortgang eines jeden, den er persönlich gekannt hatte, bis ins Mark. Ausdrücklich hatte ihm der König untersagt, wie sonst üblich bei »Polizeisachen von einiger Bedeutung«, eine Magistratskommission einzuberufen. Jordan allein sollte die Untersuchung des Vorfalles durchführen. Die Vertrautheit zwischen Falckenberg und dem König schien sich darin ausdrücken zu wollen.
    Allerdings hatte der König seinem Polizeipräfekten für die heikle Mission

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