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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Küchenchef sein und der umwerfende Geruch, der die ganze Baubrigade in ein verzücktes Luftholen hatte verfallen lassen, war ohne Zweifel die Ausströmung seines viel gerühmten Kaninchengerichtes. Aber es blieb noch eine gute Stunde bis zum Mittag.
    Einer aus der Gruppe äffte den drinnen heftig Kohl raspelnden Langustier nach. Man lachte. Die Hunde unterbrachen kurz ihr Blutmahl und blickten umher. Eine Stunde noch in diesem Duft zubringen zu müssen, könnte für die Vermessung fatale Folgen haben!

VI
    Der Soldatenkönig hatte Unsummen dafür aufgewendet, die Zahl der Häuser in seiner Hauptstadt zu vermehren. Trotzdem klafften überall noch riesige Baulücken. Groß stand neben klein, hoch neben niedrig, breit neben schmal, hochherrschaftlich neben bäuerlich. Manches Haus mit ansehnlicher Straßenfront entpuppte sich beim Öffnen der beiden Flügel des Portals als zweigeteilt. Die linke und die rechte Tür führten in zwei getrennte, enge Halbhäuser, in deren düsteren Stübchen man sich kaum drehen und wenden konnte.
    Honoré Langustiers Eindruck von diesem Berlin war dennoch ein ganz ausgezeichneter. Nach dem fröhlichen Mittagsmahl mit Knobelsdorff und seinen Bauleuten, die er durch Borschtsch und Kaninchen unschwer zu Freunden gewonnen hatte, war er auf den Gedanken gekommen, sich einmal das Falckenbergsche Logis anzusehen. Jordan hatte ihm nach dem Essen spärliche Einzelheiten über seinen ersten Besuch bei Eller verraten, doch wollte er nicht so recht mit der Sprache heraus. Im Auftrage des Königs, so Jordan, habe er mit Eller über einen Anfall von Geistesschwäche gesprochen, der bei einem Lakaien nach jahrelangem treuen Dienst plötzlich aufgetreten sei.
    Jordans Angebot, ihm noch heute Aufnahme in eine ehrenwerte Gesellschaft von freiheitsliebenden und erkenntnisheischenden Männern zu verschaffen, die sich auch des Königs Mitgliedschaft erfreue, war Langustier reichlich dunkel und geheimnisvoll erschienen, doch er hatte freudig akzeptiert. Längst war es für ihn beschlossene Sache, interessiert aufzunehmen, was immer ihm in diesem aufstrebenden Staate Seltsames und Unerklärliches begegnen würde.
    Eine kurze Stunde später wandelte Langustier zum ersten Mal allein mitten in der preußischen Kapitale. Auf den Fußgänger hatte diese Stadt eine noch viel größere Wirkung als auf den Kutschreisenden. Da er sich zu einer selbständigen Erkundung entschlossen und seinen Mietkutscher an der Hundebrücke verabschiedet hatte, irrte er in südlicher Richtung dahin. Bei nasser Witterung waren die Stiefel in dieser königlichen Stadt so unentbehrlich wie der Löffel beim Suppeessen; bei trockenem Wetter dagegen mochte man die Augen stets bedeckt halten. Ganze Wolken von Staub gaben den wandelnden Menschenkindern das Aussehen der Götter, wenn sie, eingehüllt in Schleier, den Augen der Sterblichen ihren Glanz verbergen.
    Die ›Materialisten‹, an deren Läden er nun vorbei kam, machten ihm das Vorhaben, Falckenbergs Logis aufzusuchen, nicht eben leichter, denn sie boten allerhand Köstlichkeiten feil, an denen ein französischer Koch in Berlin nicht umhin konnte, sich erst einmal genüsslich sattzusehen. Nach den jämmerlichen Zuständen in Charlottenburg hätte er diese Leckereien nie und nimmer vermutet. Warum war der König nicht in Berlin? Hier schien doch alles viel reicher beschickt zu sein – in den besseren Geschäften herrschte der blanke Überfluss. In der Handlung des Herrn Herrmann begutachtete er besonders das reichhaltige Angebot an Weinen: Obermoseler, Moseler und Rheinwein, sowie die bunte Palette der ihm so geläufigen Franzweine – vom gemeinen Picardan, über den Medoc, Margaux, Pontac, Cahors, Clairet bis hin zu den wahrlich vornehmen Sorten: Cotte-Rottie, Movileseau, Pezzier, Rocquemaure (oder petit-Burgunder), veritablem Hermitage (einem feurigen Rotwein, der nach Myrthenbeeren schmeckte), Baune, Bourgogne Volnay, Nuid und schließlich echtem Burgunder! Dessen Preis ließ Langustier erbleichen, denn die Bouteille kostete 18 hiesige Groschen, das waren fast zwei Friedrichstaler! Nichtsdestotrotz erstand er eine Flasche und versprach dem Händler, demnächst mit einer Bestellung wiederzukommen.
    Allerlei italienisches Kuchenwerk, Konfitüren und Konfekt, Marzipan, Zucker und Zuckerpuppen, Zuckerbilder auf Hamburger Fasson sowie in Kandis eingemachte Kirschen bestaunte er bei seinem Landsmann Etienne Petit, der sich kaum beruhigen konnte, als Langustier andeutete, für wen er

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