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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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aneinanderhängende Zimmer mit Alkoven – davon eines ein Saal mit Kamin – sowie eine Küche, nebst Speisen- und Holzkammer. Drei Kemenaten fürs Gesinde. Ein Weinkeller und eine Remise im Hof, in der drei Wagen Platz hatten. Ein kleines Stück Garten für Eigenagrarier, wenn gewünscht.
    Als sei dies noch nicht genug, einen Kavalier vom Umfange Langustiers zufriedenzustellen, erbot sich die gewesene Madame Stolzenhagen bescheidenst, die extraordinairen Meubles, so in den mit blauen, roten und grünen Seidentapeten ausgeschlagenen Zimmern noch befindlich waren, ihm gleichfalls gegen ein geringes Aufgeld zu überlassen. Der Mietzins von 250 Talern jährlich ließ das Farbengepränge der Tapeten und Bezüge kurzzeitig verblassen, doch hier mochte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Langustiers Miene drückte denn auch unverhohlene Freude aus und in seine Augen trat ein charmantes Funkeln, als er seine wohl proportionierte künftige Zimmerwirtin betrachtete.
    Auf den kleinen Balkon getreten, der nicht nur einen hübschen Ausblick auf das Treiben in der Straße gewährte, sondern auch die Häuserzeile vis-à-vis in Richtung auf die ›Insel‹ und das Mühlenviertel bequem zu überblicken gestattete, hatte Langustier ganzvergessen, was doch sein ausschließliches Geschäft an diesem Orte sein sollte. Er dachte daran, wie er hier, vom Parterre täglich besser versorgt als der König, und der vormaligen Madame Stolzenhagen vielleicht bald mehr als nur geschäftlich verbunden, ein sorgenfreies Leben führen könnte, sobald sich Se. Königliche Majestät endlich entschlössen, den Lebensabend in dieser schmackhaften Stadt zu verbringen. Und Marie! Wie würde sie jubilieren bei diesem Anblick! Sie vom Strohlager im ›Blauen Bären‹, wo sie noch immer heulend schmachtete, in diese innerstädtische Prachtsuite hinüberzuführen – das wäre ein lustiges Umtopfen!
    »Kommod, kommod«, beschied Langustier. Dem zurückgelassenen Kücheninventar seines Vormieters entlieh er ein Paar schön geschliffene Weingläser, um den Handel mit einem Schlückchen Burgunder sogleich perfekt zu machen. Er holte seine Flasche und die Honigkuchen aus dem kleinen Beutel, den zu tragen er nicht müde geworden war, doch sie winkte ab und wollte partout nicht zugeben, dass zu diesem freudigen Anlass dem Weine ihrer Konkurrenz zugesprochen würde. Sie bat Langustier, sich einen Moment zu gedulden, um aus ihrem Keller einen passenderen Tropfen beizubringen. Möge er sich nur alles noch einmal in Ruhe betrachten. Wenn man nämlich alleine mit sich über eine Sache zu Rate gehen könne, so meinte sie, stelle sich manche Entscheidung, die man im Gespräch mit anderen leichthin getroffen habe, oft viel nüchterner und in wahrhaftigerem Lichte dar.
    Kaum war nun die Witwe aus der Etage hinaus, schob sich Langustier einen der kleinen, weichen und ungeheuer süßen italienischen Kuchen in den Mund, was ihm sofort einen solchen Durst bescherte, dass er gezwungen war, die Flasche Burgunder jetzt trotzdem zu öffnen, sich ein Glas des starken und hitzigen Getränkes einzugießen und beherzte Schlucke davon zu tun. Diese Frau hatte ihn ganz aus dem Häuschen gebracht. Dabei wollte er doch hier
einziehen
! Über diesen eklatanten Widerspruch galt es ein Gläschen zu leeren.
    Nach dem dritten Glase des formidablen Stoffes, der die Zimmer augenscheinlich in ein noch vorteilhafteres, weicheres Licht setzte, verschaffte er sich einen vorläufigen Überblick über die – von den Möbeln und Gerätschaften abgesehen – spärlichen persönlichen Hinterlassenschaften des Abgeschiedenen. Es herrschte eine Unordnung, als hätte hier jemand nach irgendetwas gesucht.
    Vor einem hübschen blauen Glas mit einem Büschel von Gänsekielen lag eine Reihe von Papieren unsauber zusammengeschoben auf einem wunderschönen Sekretär aus spanischer Olive. Aber darunter schien nichts Bedeutungsvolles, es waren ältere Ausgaben des »Journals«, des »Intelligenzblattes« und der »Berlinischen Nachrichten« – nichts Handschriftliches, Persönliches.
    Die Fächer des Sekretärs enthielten die üblichen Schreibutensilien, Papierbögen, Kärtchen, Enveloppes. Langustier fuhr über die unversehrten, polierten Oberflächen des herrlichen, karamelbraunen Holzes mit den ocker- und quittegelben Flammen und Maserungen. Er hatte solch ein Holz erst einmal in seinem Leben gesehen. Allein dieser Sekretär wäre es wert, die Wohnung zu mieten, so schön war er. Er ging vor dem

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