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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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– er wollte eine Locke des Königs an einen seiner Verehrer verkaufen – und landete prompt in der Spandauer Festung. Und dann die Geschichte mit dem Staatsgeheimnis Nummer Eins. Damals war es ja noch eines.«
    Langustier verstand nicht, wovon die Rede war. Es mochte der Branntwein sein, der seine Auffassungsgabe blockierte und Eller so durcheinandererzählen ließ.
    »Nun ja, kurz geredet: Andersohn hatte ausgeplaudert, dass der König ohne Thronfolger bleiben werde, wegen der Quecksilberspritzen.«
    »Quecksilber?«, fragte Langustier, in immer basseres Erstaunen fallend.
    »Der König hat sich einmal, während seiner ungestümen Kronprinzenzeit, bei einer Dame von der Langen Brücke ... Ihr versteht ...«
    Langustier blickte erst fragend, dann ging ihm ein trübes Licht auf. »... mit der Lustseuche angesteckt und wurde daher so mit dem Merkurius vollgepumpt, dass es gereicht hätte, einem Ochsen die Zeugungskraft zu nehmen.«
    Langustier wiegte den Kopf.
    »Man wollte ihm mit dieser gewaltigen Spritze das damals übliche Martyrium im Oberstübchen der Charité ersparen, wo krätzige Personen und die an Syphilis Erkrankten therapiert wurden, Quecksilber schlucken mussten, ihren Speichel in Fässer spucken und monatelang schwitzen.«
    Eller goss nach. Er sah, dass Langustiers Bild vom König leicht angekratzt war, und beeilte sich, dem Gesagten den Stachel zu nehmen.
    »Die Eskapaden des kronprinzlichen Jünglings und ihre Folgen sind heute kein Geheimnis mehr. Es gibt sogar eine ehemalige Geliebte, die er mit einem Haus und einer respektablen Jahresrentebeschenkt hat. Sie ist inzwischen die ehrbare Frau eines Mietkutschenunternehmers.«
    Langustier staunte über soviel Freizügigkeit an höchster Position, und seine unbescholtene Tochter fiel ihm ein. Er schüttelte sich leicht angewidert, schenkte erst Eller und dann sich selber nach, während der mitteilsame Branntweinschenk zu sprechen fortfuhr:
    »Um jedoch auf Andersohn zurückzukommen: Wenn er krank war, kürzte ihm der König den Sold – wohingegen von Schlütern einen Tross von Leibärzten zu seiner privaten Pflege bemühen durfte. Wer hätte diese ständige Zurücksetzung auf lange Sicht ohne Schaden für die Seele ertragen?«
    Er füllte die Gläser erneut.
    »Die meisten an seiner Stelle wären wohl auf Schlütern oder den König losgegangen, nicht so der arme Andersohn. Er kehrte seinen ganzen Zorn, seine ganze Verzweiflung gegen sich selbst und wurde irrsinnig. Im Dienst begann er nervös zu zittern, konfabulierte während der ihm aufgetragenen Besorgungen und war den einfachsten Aufträgen immer weniger gewachsen.«
    Eller zitterte, als er wieder einschenkte, so schien ihn das Schicksal des armen Dieners mitzunehmen. Ein ungewöhnliches Verhalten bei einem Arzt wie Eller, der Tag für Tag so viel Leid zu Gesicht bekam und keine Bedenken trug, mit dem kältesten Stahl die noch lebenswarmen, verletzlichen Organe eines Menschenleibs zu durchschneiden, fand Langustier.
    »Bald redete er auch in Gegenwart des Königs oder seiner Gäste, was diesem nun nicht länger tolerabel war. Andersohn flog ohne Entlassungsschein aus seiner Stellung und entbehrte jeder weiteren Versorgung. Der König schien ihn förmlich vernichten zu wollen. Der ungnädig Entlassene lief zu anderen Herrschaften und erzählte wunderliche Dinge über den König und über seinen ehemaligen Freund von Schlütern. Er redete gar von ihrer beider Verschwörung gegen ihn. Auf diese groteske Weise machte er sich zum Gespött der feinen Berliner Hof-Gesellschaft.
    Möglicherweise wurde dem König nun bewusst, dass er den Andersohn zu streng behandelt hatte. Vielleicht war ihm die Sache aber nur peinlich. Jedenfalls bat er Falckenberg, den Verwirrten dauerhaft bei sich aufzunehmen.
    Erst schien das Experiment zu gelingen. Andersohn wurde ruhiger, schickte sich in sein Los, gewann wieder Zutrauen in die Welt um sich her. Das Konfabulieren verschwand fast ganz. Doch dann, vor zwei Wochen, kam der Rückfall, er tobte auf offener Straße, rannte vor eine Kutsche und wäre um ein Haar zu Tode gekommen, wenn der Wagenlenker ihm nicht gerade noch hätte ausweichen können. Man wollte ihn ins Irrenhaus in der Krausenstraße verbringen, worin gemeinhin rasende, wahnwitzige und trübsinnige Personen verwahrt werden, doch ich verfügte, dass er zuvor hierher kommen sollte. Denn ich habe eine Therapie an ihm versuchen wollen, die schon die Alten kannten – sie infizierten ihre Geisteskranken mit

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