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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Für die morgige Veranstaltung war das Thema ›Die sieben Weltalter‹ vorgegeben, und die sieben Köche hatten sich in ihrer eilig einberufenen Konferenz – an der auch der Zweite Hofküchenmeister des Königs teilgenommen hatte – auf folgende Tour de force geeinigt:

    Erstes Weltalter: Garten Eden mit Adam,
Eva und Schlange – und Marzipanpilzen

Gekochter Schweinskopf am Rost
Gesottene Kapaune, Hühner, Dörrfleisch
    Zweites Weltalter: Arche Noah, mit Zuckeroblaten

Gedünstete Schollen, Weißkraut
    Drittes Weltalter: Opferung Isaaks, mit Schokoladenturm

Durchsichtig hohe Fischsulz
Wildragout
    Viertes Weltalter: David gegen Goliath –
mit süßen Krapfen

Eingemachtes Kaninchen; Gemüse elsässisch
    Fünftes Weltalter: Turm von Babel –
auf kandierten Rübchen

Pastete mit Schnecken
Rehschlegel
    Sechstes Weltalter: Das Jesulein in der Krippe –
mit hellem Mandelmus

Schnapsbirnen und -zwetschgen auf Eis
    Siebentes Weltalter: Das Jüngste Gericht – mit Marzipan

Süß eingemachte Karpfen und Welse
Apfelschlupfkuchen, dem lebendige Vögel entfliegen;
Sahne

    Sieben nummerierte Zettel in einem Topf: So kamen die sieben Weltalter unter den sieben Köchen zur Verlosung. Langustier stöhnte in der Folge unter der fürchterlichen Aufgabe, das Jüngste Gericht aus Marzipan nachzubilden. Die übrigen beiden Gliederungspunkte des ihm zugefallenen siebenten Weltalters waren dagegen ein reines Kinderspiel. Ein gedeckter Apfelkuchen von einem Meter Durchmesser, auf einer schwenkbaren Metallscheibe über einem zylindrischen Hohlraum von einem halben Meter Höhe, dessen Außenwand durch aufgestapelte und mit Sahne verstrichene Bisquitbausteine kaschiert war, sollte den extraordinären Käfig für allerlei gefiederte Freunde abgeben.
    Die Anstrengung hatte zumindest ein Gutes: Langustiers Ärger über die noch immer nicht wiederaufgetauchten Papiere Falckenbergs wurde arg in seiner Entfaltung behindert. Die Nachfrage desbelgischen Gehilfen bei Eller war ohne Erfolg geblieben, ebenso seine Bemühung, anhand von Langustiers verschwommenen Angaben den Kutscher ausfindig zu machen, der ihn in der fraglichen Nacht chauffiert hatte. Verflucht und zugenäht! Der dicke Koch stöhnte und seufzte, dass sich seine Gehilfen ernsthaft Sorgen machten über den Ausgang der Marzipanschlacht.
    Neben dem Polentakochen für die Bauarbeiter kultivierte der Italiener in Langustiers Mannschaft seine schlummernden Talente als Vogelfänger. Eine einfache Korbfalle ließ ihn Dompfaffen, Buch-, Grün- und Bergfinken, Erlenzeisige, Haus- und Feldspatzen erbeuten. Sogar einen Kernbeißer hatte er schon erwischt. Langsam reichte es, aber der Südländer hatte Gefallen an dieser subtilen Jagd. In seiner Heimat fingen sie die Zugvögel schwärmeweise, von der Wachtel bis zum Storch, rösteten sie an langen Spießen und machten aus dem Metzeln und Verzehren ein tagelanges Fest.
    In diese vor Geschäftigkeit dampfende Küchenregion platzte Jordan herein mit der Feststellung:
    »Wir sind erlöst!«
    Langustier fuhr auf das Heftigste zusammen und ließ vor Schreck die Marzipanfigur fallen, an der er mit höchster Anspannung aller formgebenden Kräfte seit einer halben Stunde gearbeitet hatte. Mit ehrlicher Entrüstung stieß er hervor:
    »Monsieur Prefecteur! Ihr habt einen der apokalyptischen Reiter auf dem Gewissen!«
    Der Hinzugetretene blickte betreten auf das unförmige, käferartige Gebilde aus winzigen Marzipanwürsten, das auf dem Tische zwischen rohen Blöcken noch unverbauten Rohstoffes wie eine stumme Anklage lag.
    »Ich bin untröstlich! Indes werdet Ihr mir gerne meinen Überschwang verzeihen, wenn Ihr erst die ausführliche Nachricht gehört habt.«
    Er trat vorsichtig näher und deklarierte mit gedämpfter Stimme:
    »Wir haben den Mörder Falckenbergs! Zumindest so gut wie. Esfügt sich alles schön zusammen. Das Duell mag nun eines gewesen sein oder nicht. Hierüber wird das Gericht ausführlichst debattieren. Wenn es denn doch eines war, woran zu zweifeln wir freilich allen Grund gefunden haben, ebenso der Professor, so mag der König seine schützende Hand über den Offizier halten, der nun als Täter apostrophiert wurde. Ehrenhändel sind ja ab einem gewissen Dienstgrad tabu.
    War es hingegen keines, so hat derjenige, der es kunstlos arrangierte, einen respektablen, hinterlistig eingefädelten Mord auf dem Gewissen, und es ist nur der kleine Umstand zu entscheiden, ob er vor dem Rädern durch einen Gnadenstoß der ärgsten Pein

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