Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
Sahne oder Maulbeerenscherbett zum Abschluss.
Der Hofgärtner hatte inzwischen noch angemerkt:
»Der Seidenbau steckt ja erst in den Anfängen. In sechs Jahren, wenn die Bäume stark genug sein werden, dass man ihre Blätter einsammeln kann, gilt es, genügend Seidenraupeneier zu beschaffen, um reichlich davon an die Leute ausliefern zu können. Schließlich wird es dann nötig sein, das Verfahren bei der Aufzucht der Würmer und die Herstellungsweise von Seide, Organsin, Tramseide, Florettseide und so weiter gedruckt herauszugeben, und es wird Realschulen geben müssen, in denen Mägde und Bauern lernen können, wie und wann die Würmer schlüpfen, wie man sie füttern muss und wie man die Kokons abhaspelt. In unserem kalten Klima besteht die Kunst darin, die Raupen nicht zu früh und nicht alle auf einmal schlüpfen zu lassen und auf keinen Fall mit Tau bedeckte Blätter an die Würmer zu verfüttern, denn davon werden sie alsbald wassersüchtig.«
Langustier versuchte sich einen wassersüchtigen Wurm vorzustellen, doch es gelang ihm nicht. Er verabschiedete sich herzlich von Krause und nutzte das Stichwort ›Wasser‹, indem er sich zu einer schöpferischen Pause an den See in die Sonne setzte. Mit geschlossenen Augen genoss er wenigstens für einen Moment die Ruhe des herrlichen Parks, die nur vom Geräusch der Rechen und Besen beeinträchtigt wurde, mit denen die Gärtnergehilfen die Spuren ihrer Baumtransporte über Kies und Rasen beseitigten. Die baumbringende Flotte hatte bereits wieder abgelegt.
Er dachte über die weiteren Schritte der Ermittlung nach. Jordan, gewillt, die Hypothese von der geheimen Verbindung zwischen den beiden Morden bis zum Erweis des Gegenteils zu akzeptieren, würde sich heute noch einmal mit der Witwe von Marquard befassen und das Marquardsche Logis genauestens untersuchen lassen. Er mochte nun wohl eingesehen haben, dass die Sache komplizierter war, als er dachte.
Erregtes Rufen schreckte ihn auf.
»Monsieur Langustier! Monsieur Langustier!«
Er drehte sich auf der Bank um und sah den kleinen Belgier, seinen Küchenjungen, der eilig über die Gartentreppe des Schlosses auf den Kiesweg hinabsprang. Morgens hatte er ihn vermisst und sich über seine Saumseligkeit gewundert. Nun erklärte sich das Fehlen auf nachgerade wunderbare Weise:
»Monsieur, Ihr ratet nicht, was ich hier habe!«
Er schwenkte ein kleines Päckchen in der Hand, das Langustier äußerst rätselhaft erschien. Doch im nächsten Moment hellte sich seine Miene auf. Sollte es denn möglich sein – …? Langustier erhob sich in erstaunlicher Schnelle. Es war möglich! Der Gehilfe konnte seinem Meister mit stolzgeschwellter Brust die längst endgültig verloren geglaubte Mappe mit den Falckenbergschen Papieren übergeben. Seine auf eigene Faust weiter betriebenen Nachforschungen waren letztlich doch noch von Erfolg gekrönt worden. Auf das Stichwort ›Kugeln‹ war einem der Droschkenfahrer der angeheiterte, verwirrte Freimaurer eingefallen, den er kutschiert hatte und der ihm nebst einer kleinen Börse mit überreichlichem Lohn auch noch eine Ledermappe mit seltsamen Dokumenten in Verwahrung gegeben hatte. ›Hebt sie gut für mich auf!‹, habe er gesagt.
Langustier wickelte den ihm überreichten, sorgfältig gefalteten Makulaturbogen auseinander und überhäufte den Gehilfen mit Dankesbeteuerungen. Zwei blanke Dukaten drückte er ihm in die Hand. Einer davon war für die treue Seele von Kutscher bestimmt.Der Junge schwebte förmlich über den Kies davon angesichts seines nunmehrigen Reichtums, während Langustier mit einem ungeheuren Gefühl der Erleichterung wieder auf die Bank sackte.
Äußerst gespannt löste er die blauseidene Schlaufe, die das weinrote Ledermäppchen nach wie vor säuberlich zusammenhielt, nahm den kleinen Packen von Blättern auf den Schoß, auf dessen Deckblatt nichts weiter stand als ›Königsblau‹, und blätterte hastig die Papiere durch.
Langustier zwang sich zur Konzentration und blickte auf die feinen Linien der Schrift. Es waren die Züge verschiedener Hände. Neben einfachen, weißen Bögen mit kräftigen, kurzen und prägnanten Schriftzügen, die sicher von Falckenberg stammten – wie ein Vergleich mit dem obersten Blatt unschwer zeigte – fanden sich Blätter in zartem Chamois mit einer kleinen, feinen und leicht verspielten Schrift, mehrere aktenmäßige Manuskripte, Listen sowie zwei aus einem Buch herausgetrennte Seiten, die einen geografischen und einen
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