Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
war zu weit von seinem einzigen momentanen Problem entfernt.
»Des von … und des …?! Ah – soweit ich mich entsinne, duellierten sich die Väter nach einem sehr heftigen Streit. Zumindest vermutete man solcherlei, als man sie fand. Sie hatten beide gut gezielt und noch besser getroffen. Die Hintergründe konnten nie aufgeklärt werden. Das Schlüternsche Gut wurde vom Sohn weitergeführt, die Mütter starben beide früh über ihrem Gram.«
»Und wissen Sie auch, ob die Väter sich schossen, bevor es mit Andersohn junior bergab ging? Respektive mit von Schlütern junior bergauf?«
Jordan überlegte.
»Ja, ich glaube es war kurz vorher. Andersohns ehrenrührige Anwürfe gegen Se. Königliche Majestät wendeten die öffentliche Meinung vollends gegen ihn.«
»Übrigens, Monsieur, falls Ihre Sorge dem momentanen Fortkommen gilt, so wüsste ich eine ganz passable Lösung.« Langustier blickte siegessicher.
»Wir reiten!«
Maximilian von Waldegg verließ die ›Neue Welt‹. Er verzichtete, um secretissime zu erscheinen, auf seine Equipage und strebte der Roßstraße auf höchsteigenen, des Laufens völlig entwöhnten Beinen entgegen. Ungezählte Male musste er, wegen des Wegstückes, innehalten und verschnaufen. Er atmete schwer und stützte sich auf seine Spazierkrücke. Der Botenjunge hatte ihn schon nach den ersten Metern unter den Linden überholt und war davongesprungen wie ein junges Reh.
Adlers Nachricht war dem Hohenfließischen Botschafter zwar rundweg belebend in die Knochen gefahren, doch es hätte eines weitaus stärkeren Elixiers bedurft, um die Jahre des Sitzens, Stehens und Parlierens gänzlich von ihm zu nehmen. Sein Geist zumindest war beschwingt und frisch als ginge der Südwind durch ein Tulpenfeld: Hoffnung war aufgesprossen, wo gestern noch Betrübnis geherrscht hatte.
›Chacun est l’artisan de sa fortune!‹, dachte er, obzwar er französische Wendungen meistens vermied. Er wich den Sonntagsspaziergängern nicht aus, kümmerte sich um nichts und niemanden, zog schneckengleich seines Wegs, bis er zu dem ihm bezeichneten Haus gelangte. Ein Hausdiener stand an der Tür und fragte von Waldegg nach Namen und Begehr. Atemlos meldete er drei Treppen weiter oben den Botschafter, worauf Adler mit aufgelöstem Jabot und Creuz im wehenden Zaubermantel herunterkamen, um den Aufstieg Sr. Exzellenz zu beschleunigen. Ein Stuhl wurde geholt. Der Graf setzte sich und sie trugen ihn auf dieser improvisierten Portechaise die Stufen vollends hinauf.
Waldegg begrüßte die Tochter des Zweiten Hofküchenmeisters, der jetzt hier offenbar wohnte und hörte sich Adlers Rapport über das Geschehene an. Es klang alles so wunderlich und abenteuerlich, daß Marie nicht im Mindesten erfasste, was vorging. Die Witwe Stolzenhagen bekümmerte sich um sie, wirkte zugleich aber bemüht, die eigene Aufregung hintanzuhalten.
Marie, käseweiß, hatte noch die Grauen erregende Gestalt des Eindringlings vor Augen, der mit gezücktem Pistol urplötzlich ins Zimmer gestürzt war. Eine teure Kaffeetasse hatte sie ohne zu überlegen in seine Richtung geschleudert, was ihn davon abgebracht, sofort auf ihren vor Schreck erstarrten Besucher anzulegen. Der verhinderte Angreifer hatte erneut seine Waffe gehoben, als er von hinten aufgefordert worden war, sie fallen zu lassen.
Marie sah die Szene noch einmal ablaufen: Rasch wendete sich der Eindringling um, daß sein langer schwarzer Mantel ein Rad schlug.Laut dröhnte ein Schuß aus der Richtung der Eingangstür durch die Enfilade. Der Attentäter klappte zusammen, getroffen, doch nur verwundet.
Eine weitere, seltsame Person erschien auf der Bildfläche. Was würde der Vater zu dieser Bescherung sagen: Eine Kaffeetasse aus teurer Fayence war entzwei, Blut verunzierte das Parkett und eine Kugel steckte in der Wandtäfelung. Nun standen auch noch diese vielen fremden Menschen in der Wohnung – es wurde ihr just zuviel. Sie wusste nichts dawider zu unternehmen, war zu schwach, den ungebetenen Gästen die Tür zu weisen.
Wie durch einen Schleier nahm sie indessen die Bewunderung und Dankbarkeit entgegen, die man ihr allenthalben zollte, obgleich sie den Sinn des Geschehenen nicht begriff. Der Vater möge bald kommen, bat sie, doch man wusste nicht, wo er war. Alle bemühten sich um sie. Die Witwe Stolzenhagen sprach sanft auf sie ein. Der Doktor Eller werde gleich da sein und sich um sie kümmern, es sei ihr ja nichts geschehen, und auch der Andersohn sei wohlauf. »Andersohn«?
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