Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
ein kalter Windhauch herüber.
Der hinzugetretene, grün livrierte Diener meldete weiblichen Besuch. Das kam dem Baron durchaus recht und war ganz dazu angetan, ihn wieder wohlig zu erwärmen. Seine Figur straffte sich, er steckte sich den Orden an den Zobel und präsentierte ihn der Eintretenden voller Stolz.
Die tief verschleierte, schwarze Frauengestalt, die aus dem Durchlass in die luftige Loggia herausgetreten war, kam langsam, wie traumwandlerisch auf ihn zu. Sie schlug den Schleier zurück, doch statt des gewohnten Strahlens bemerkte er, dass der Schönen die Tränen über die Backen liefen. Er stand auf, und sie barg ihr nasses Gesicht an seiner pelzumhüllten Brust. Der Orden stach sie unsanft, so dass sie zurückwich. Auf zwei flüchtige, wie gestohlene Küsse hin flüsterte sie etwas in sein Ohr, das seine Hochstimmung schlagartig zunichte machte. Entsetzen vezerrte sein Gesicht. DerOrden glühte auf seinem Fell wie eine Brandmarke. Hatte er richtig gehört? Der Marder und seine Truppe waren gefasst, hatten ausgepackt? Von Schlütern überlegte fieberhaft.
Er hätte nie gedacht, den geheimen Tunnel einmal wirklich zu benutzen, durch den man vom kleinen Tempel im Garten aus unter der Mauer hindurch auf den Feldweg gelangen konnte, der zwischen Brandenburger und Potsdamer Tor am Tiergarten entlanglief. Ein Pferd müßte ihm der Diener bringen, rasch müßte es gehen. Mit einem Mal verloren die Dinge ihren Wert, verblassten.
Die Worte der Frau vor ihm brachten ihn in Rage. Was war das zwischen ihnen? Brauchte er sie noch, was für ein Recht hatte sie an ihm, was konnte er ihr noch sein?
»Emilie? Was redest du da? Das war ganz allein dein unseliges Werk! Wie kannst du behaupten, ich hätte dich dazu gedrungen?« Seine Hände entwickelten eine ungewöhnliche Kraft. Ihr Hals verfärbte sich, doch sie brachte noch immer, wenngleich mühsam, anklagende Worte heraus.
»Falckenberg hat nie versucht … unsere Verbindung … zu hintertreiben. Du hast mich angelogen … damit ich … die schmutzige Arbeit erledige, für die du … zu feige …«
Ein stechender Schmerz in seinem Rücken ließ ihn zusammenfahren. Seine Hände lockerten sich, aber sie rührte sich bereits nicht mehr.
Honoré Langustier frühstückte eilig, trotz der ungewohnten, lange entbehrten Gesellschaft Maries, die sich nach traumlosem Schlaf wieder vollständig von den Fährnissen des verwichenen Tages erholt hatte. Rührei und Mokka, dazu die traumhaft schöne Wohnung – das gab ihm genügend Kraft für diesen schweren Tag.
Heute würde sich entscheiden, ob er vor seinem König bestehen könnte. Der Knoten lockerte sich bereits und der Name, der dies bewirkte, lautete Friedrich von Schlütern. Der glücklich errettete Andersohn saß noch immer als Traumgestalt auf dem Sofa.
Langustier stieg die Treppe hinab und betrat die Roßstraße. Im Laden der Stolzenhagen herrschte schon Andrang, und die Gehilfen sahen sich mächtig in Bedrängnis. Marie sollte an diesem Montag ihren Dienst antreten und er seufzte bei dem schönen Gedanken. Es gäbe ihr weiteren Auftrieb und ihnen beiden mehr finanzielle Sicherheit.
Langustier kam an der Petrikirche vorbei, an deren Turm man wieder fleißig baute, und besah sich das Creuzsche Haus, an dem er bereits in den zurückliegenden Tagen wiederholt vorbeigekommen war, ohne zu ahnen, welch teuren Schatz es geborgen hatte. Er schritt die Brüderstraße hinauf, ging schweren Herzens zwischen der alten Domkirche und der Stechbahn hindurch, am Schlossplatz vorbei in die Schlossfreiheit und an der Südwestseite des Schlosses entlang.
Vor der Hundebrücke wurde eifrig für die Parade geübt. Am Lustgarten bezogen die Reiter Aufstellung, drehten und wendeten ihre edlen Pferde, ließen sie im Schritt gehen, traben, halten, Männchen machen und die Köpfe beugen. Se. Königliche Majestät sollten etwas zu sehen bekommen. Für einen Augenblick war es Langustier, als sähe er den Dreispitz des Königs durch eine Fensterscheibe im oberen Stockwerk, aber als er den Punkt genauer fixierte, war es nur einer der ausgestopften Vögel in der Naturalienkammer – ein Steinadler – der traurig auf den Platz und die Beute, die ihm dort entging, herabsah.
Im königlichen Marstall herrschte hektische Betriebsamkeit. Alles fieberte dem Ereignis des Tages entgegen, obwohl es hieß, der König habe wieder sein Wechselfieber, das ihn alle drei Tage heimsuchte, und werde an der Parade gar nicht teilnehmen. Sein Bruder, Prinz
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