Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)
dass das Holz knirschte.
Jordan holte derweil den blauen Fetzen Uniformstoff aus seiner Tasche und warf ihn auf den rohen Holztisch. Der Gefesselte zuckte, bäumte sich.
»Wir wissen, dass du am Tatort warst!«
Auf Jordans Worte schüttelte er den Kopf, doch es sollte eher einNicken werden. Der Braten, der blaue Fetzen, seine Uniform, der König, der Marder, Marquard – sein Kopf wollte ihm platzen. Was hatte er zu verlieren? Sie wussten ja doch schon alles, der Marder war gefangen, sie alle waren gefangen. Hängen würden sie, aufgehängt, im Wind baumeln, da gab es kein Zurück mehr. Blieb ihm wenigstens der Braten, das wäre seine Ausbeute, den könnte ihm keiner nehmen, verflucht, was schob er für einen Kohldampf, das konnten sie nicht machen mit ihm, er sagte ihnen ja nur, was sie schon wussten:
»Hab ihn ja abgestochen, das Schwein! Hat ja beim neuen König mein Regiment verraten! Ist schuld, dass ich auf der Straße sitze, dass wir alle auf der Straße sitzen und durch die Wälder ziehen müssen. Hat mir ja alles der Marder gesteckt.«
Der Grenadier ächzte. Soviel hatte er seit Monaten nicht mehr geredet. War ihm richtig der Mund fusselig geworden davon. Was war nun mit der Belohnung? Er grunzte, wütete, blieb aber angebunden. Langustier schob den Teller etwas weiter zu ihm hin, damit der Duft der Fleischscheibe ihm noch unverschämter in die Nase steigen konnte, und fragte unerbittlich:
»Woher wusstet ihr von dem Geldtransport?«
Jordan wartete gespannt auf die Antwort. Das war ja die reinste Folter! Seltsamerweise empfand er hier keinerlei Mitleid. Dieser Langustier war schon ein Filou.
Ihr Informant war restlos gefügig geworden. Der Bratenduft hatte seinen Kopf benebelt. Was kümmerte ihn noch das Geld? Konnte keiner mehr was anstellen damit. Sie hatten’s längst gefunden, da draußen stand der Sack, die schönen blanken Dukaten darin.
Den Treffen zwischen dem Unbekannten und dem Marder hatte der Grenadier stets beigewohnt. Zwar wusste er den Namen des Vornehmen nicht zu nennen, gab aber unbekümmert die Orte und Umstände der Treffen an und was im Einzelnen geredet worden war, so weit er es aufgefasst hatte. In aller Ungeschlachtheit der Ausdrucksweise lieferte der Grenadier eine recht markante Beschreibungdes Mannes, mit dem der Marder mehrmals zusammengetroffen war, so dass es dem aufmerksamen Zuhörer Jordan nicht schwer fiel, im Geiste den Namen hinzuzufügen. Der Beschriebene war nämlich keineswegs ein Unbekannter und überdies von nicht geringem Stande. Da er zum unmittelbaren Umkreis des Königs gehörte, fühlte sich der Polizeichef äußerst unwohl bei dem Gedanken an seine unumgängliche Verhaftung.
Jordan ging mit Langustier ein paar Schritte seitwärts, um ihm seine Erkenntnis und seine Befürchtungen mitzuteilen.
»Monsieur, jetzt bin ich mir sicher, dass wir auf dem rechten Wege sind. Der Schurke könnte ein von Sr. Königlichen Majestät gerade gestern hochdekorierter Mann sein, der allerdings beim Volk einen üblen Leumund hat. Wir sollten ihn so rasch wie möglich festsetzen, bevor er von unserer hiesigen Aktion erfährt.«
Langustier verweilte in Gedanken noch kurz bei dem jammernden Mann am Tisch. Für einige exzellente Bissen und Schlucke hatte dieser ungehobelte Klotz seine Freunde und sich um Kopf und Kragen geredet. Mit der gleichen Blödigkeit war er auf einen Zuruf seines Herrn und Meisters an von Marquard zum Vollstecker geworden. Eine königliche Uniform hatte er getragen dabei. Es machte, fand Langustier, keinen Unterschied, ob sein Befehlshaber ein Gauner oder ein König war. Für einen anderen zu morden war verabscheuenswert. Vielleicht lag hier der letzte Unterschied zwischen Mensch und Tier verborgen, um den die Philosophen so zäh rangen?
Die Handfesseln wurden dem Grenadier abgenommen. Heißhungrig fiel er über das her, was lockend vor ihm gestanden.
Die Turinerin, der Einäugige und der Marder wurden mit den Enthüllungen ihres Kumpanen konfrontiert und wussten sich vor Entsetzen kaum zu fassen. Spätestens jetzt stand ihnen allen in voller Bewusstheit der Galgen vor Augen.
XVI
Er wusste nicht, wie er an diesen obskuren Ort – in dieses enge, vom Schwamm zerfressene Haus – gekommen war. Blätter mit wirren Zeichnungen bedeckten den schmutzigen kleinen Tisch, vor dem er sich zitternd erhob. Sein Kopf schmerzte etwas, infolge eines Sturzes, wie er annahm. Als er die Treppe hinabstieg, stachen seine Knie.
Die Sonne blendete ihn. Farben und Töne
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