Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
Regale einsortierte. Ich klemmte mir die beiden Wälzer unter den Arm und verließ die Mediathek.
Der Gemeinschaftsraum unseres Wohnturmes war leer, dunkel und wenig einladend. Trotzdem ließ ich mich in eines der weichen Sofas sinken und entzündete einen Feuerball. Ich schlug das erste Buch auf und begann zu lesen. Ich wäre viel lieber oben in unserem Wohnturm gewesen. Doch ich wollte nicht allzu viel Zeit mit Liana verbringen. Sie hatte es nicht geschafft, über ihren Schatten zu springen und dieser Zustand hielt jetzt schon seit einigen Wochen an. Sie war unerträglich, denn neuerdings verbrachte sie die Abende damit, das Studierzimmer unserer Etage penibel und lautstark zu putzen, damit Lorenz und Shirley keine Gelegenheit bekamen, mit mir über den Verbleib der Akasha-Chronik zu sprechen. Sie wollte mir helfen, indem sie unsere Bemühungen sabotierte, wo sie nur konnte. Das einzige, was sie damit allerdings erreicht hatte, war, dass ich mich einsam fühlte. Liana war immer an meiner Seite gewesen, seitdem ich denken konnte. Selbst wenn wir uns einmal stritten, blieb unsere Freundschaft davon unberührt. Nicht so wie jetzt, dieser Schnitt ging tiefer.
Seufzend blätterte ich eine Seite in meinem Buch um. Das Licht meines Feuerballs war nicht sehr hell, doch einen besseren bekam ich immer noch nicht zustande. Meine Augen schmerzten und ich lehnte mich zurück. Dieses Buch war ein Reinfall, es handelt nur von ausgestorbenen Drachenarten. Ich schlug es zu. Vielleicht hatten Lorenz und Shirley mehr erreicht? Die beiden hatten sich mit Feuereifer auf die Suche nach der Akasha-Chronik gemacht, ohne sie hätte ich schon längst aufgegeben. Trotzdem ich wusste, wonach ich suchen sollte, fand ich nichts. Kein Wort, keine Silbe, kein kleinster Hinweis. Es war wie verhext und langsam glaubte ich, dass es so sein musste, denn anders konnte ich mir nicht mehr erklären, warum wir nicht weiterkamen. Wir durchsuchten MUS bei jeder Gelegenheit und wir durchstöberten den Altbestand der Mediathek nach Hinweisen. Es war einfach nur deprimierend. Ich schloss meine müden Augen und versuchte, mich aufzuraffen, den Gemeinschaftsraum zu verlassen und ins Bett zu gehen. Doch ich war müde und die Wärme im Raum, die der große Kamin ausstrahlte, war behaglich und machte meine schon vom Drachentraining erschöpften Glieder noch schwerer.
Es dauerte nicht lange und Adams Bild erschien vor meinem inneren Auge, ein beruhigendes Ritual. Ich versank in Erinnerungen an den Sommer, an unseren ersten Kuss und unseren letzten gemeinsamen Abend in der Provence, der so vielversprechend begonnen hatte. Doch seitdem war Adam nicht mehr nach Tennenbode zurückgekehrt. Meine Worte hatten nichts bewirkt, rein gar nichts. Trotzdem unsere Situation aussichtsloser war denn je, glommen in mir immer noch die Hoffnung und die Gewissheit, dass er der einzige war, der je zu mir gehören würde. Mit Vernunft war das nicht zu erklären. Ich riss die Augen auf, um die Erinnerungen zu vertreiben. Es gab genug zu tun, um mich abzulenken. Das Drachenrennen im Frühjahr rückte immer näher, die Professoren geizten nicht mit Hausaufgaben und die Akasha-Chronik beschäftigte mich so sehr, dass ich nicht einmal mehr Zeit hatte, auf den Nachtwind zu lauschen, wenn ich ins Bett ging. In der Regel fielen mir die Augen zu, sobald mein Kopf das Kissen berührte. Überhaupt war es an der Zeit, endlich nach oben zu gehen, bevor ich die Nacht auf diesem Sofa verbringen würde.
Gerade in dem Moment, in dem ich aufstehen wollte, entdeckte ich an der gegenüberliegenden Wand etwas, das nicht hier sein durfte. Eine kleine, winzige Gestalt schlich auf zwei Beinen an der Wand entlang. Ich blinzelte mit halb geschlossenen Augen, um das Wesen besser erkennen zu können. Es hatte ein braunes Fell, so braun wie die Wand, an der es vorbeischlich. Die spitze Nase in die Luft gestreckt, schnupperte es bald rechts, bald links. Die langen Nasenhaare bebten, als es die Ohren spitzte. Es hielt kurz inne, als ob es prüfte, ob ich wirklich schlief. Ich atmete ruhig ein und aus und wartete. Als das Wesen überzeugt war, dass ich nicht wach zu sein schien, lief es schnell weiter und blieb vor einem sonnengelben Sofa stehen. In dem Moment, in dem es schlagartig seine Farbe wechselte und in den strahlenden Ton des Sofas eintauchte, wusste ich auch, woher ich es kannte. Im Büro von Senator Gustav Johnson war genau dasselbe Tier umhergeschlichen. Entweder litten das Senatorenhaus und
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