Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
Sofa fallen. Das mir die Sybillen mein nahendes Ende prophezeit hatten, hatte in mir ein seltsames Gefühl ausgelöst. Es war nicht Angst, so wie ich es erwartet hatte, sondern das dringende Bedürfnis endlich zu leben, rasant und intensiv. Wer wusste schon, wann meine Zeit zu Ende war.
„Party?“, fragte Lorenz und steckte seinen Kopf aus dem Badezimmer heraus. „Keine Chance solange Madame Villourie weiter so ein strenges Regiment führt. Wir könnten höchstens nach Schönefelde runtergehen und dort noch etwas unternehmen!“, schlug Lorenz vor.
„In Schönefelde sind jetzt schon die Bürgersteige hochgeklappt, da werdet ihr nichts mehr erleben und nach dem Wirbel, den Selma ausgelöst hat, ist es besser, wenn sie erst einmal hier bleibt“, sagte Liana streng. Ich nickte wiederwillig. Nachdem mich Adam zurück nach Tennenbode gebracht hatte, musste ich Professor Espendorm und noch ein paar anderen von der Schwarzen Garde Rede und Antwort stehen. Glücklicherweise konnten Lorenz und auch Frau Trudig bestätigen, dass es sich um ein unglückliches Versehen gehandelt hatte. Trotzdem hatte ich die Auflage bekommen, zu meiner eigenen Sicherheit, Schönefelde vorerst nicht zu verlassen.
„Wie war es bei Parelsus?“, fragte Liana.
„Sehr interessant. Er hat mir von der Protestbewegung meiner Mutter erzählt. Sie war ziemlich hartnäckig, hat Demonstrationen organisiert und Flugblätter verteilt.“
„Du hast deinen Plan noch nicht aufgegeben?“ Liana setzte sich neben mich und gemeinsam sahen wir in den Flockenwirbel hinaus.
„Nein, wieso denn?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ganz im Gegenteil. Die Sybillen haben mich ja auf eine ganz neue Spur gebracht. Wenn ich das Geheimnis um das Verschwinden meiner Familie lösen will, muss ich das Buch der Bücher finden.“
„Das Buch der Bücher, was soll das denn sein? Die Bibel vielleicht?“ Lorenz zog nachdenklich die Stirn in Falten.
„Ich glaube nicht, dass es die Bibel ist, denn die Sybillen haben mir gesagt, mir wäre dieses Buch schon einmal in einem Traum begegnet, aber ich kann mich nicht erinnern, jemals von der Bibel geträumt zu haben.“ Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Letzten Sommer hatte ich zwar nicht von der Bibel geträumt, aber dafür von einem Buch. Der Geschmack von Erde, der mir damals auf der Zunge gelegen hatte, war abscheulich gewesen. „Akasha“ hatte es geschrien, während es verbrannte. Mich durchfuhr es heiß. Was hatte Parelsus heute erwähnt?
„Akasha-Chronik!“, rief ich. „Ich muss die Akasha-Chronik finden!“ Begeistert sprang ich auf. Liana und Lorenz sahen mich an, als ob ich beschlossen hätte, Eier auszubrüten.
„Das Buch der Bücher ist die Akasha-Chronik!“, erklärte ich.
„Bist du dir sicher?“, fragte Liana. „Davon habe ich noch nie etwas gehört.“
„Ja, von diesem Buch habe ich geträumt und heute hat Parelsus gesagt, dass es eine Akasha-Chronik gibt, die er durch MUS irgendwann überflüssig machen will. Das heißt, die Akasha-Chronik weiß im Moment noch mehr als MUS und das bedeutet, dass sie mir Antworten auf meine Fragen geben kann.“ Endlich hatte ich einen Anhaltspunkt, an dem ich meine Suche beginnen konnte.
„Lass es mal langsam angehen!“ Liana sah mich besorgt an.
„Warum freust du dich nicht? Endlich weiß ich, wonach ich suchen soll.“ Ich wartete darauf, dass sich Lianas besorgter Gesichtsausdruck auflösen würde und das freundliche Lächeln wieder hervorkam. Doch nichts passierte.
„Tu es nicht! Ich habe einfach Angst, dass dir etwas passiert, Selma, dass du dich mit den Falschen anlegst“, meinte sie ernst.
„Wir müssen es eben geschickt anstellen“, sagte Shirley plötzlich und trat neben uns. Ich hatte sie gar nicht bemerkt, doch ich war erleichtert, dass jemand auf meiner Seite war. „Wir dürfen niemandem davon erzählen, dann kommt auch keiner in Gefahr. Es wird Zeit, etwas Schwung in die Sache zu bringen.“
„Genau“, entgegnete ich und hoffte, Liana noch umstimmen zu können. „Parelsus hat gesagt, meine Mutter sah nur zwei Wege, die Gesellschaft zu ändern. Von oben oder unten. Als sie es von unten versucht hat, ist sie gescheitert.“
„Und als sie es von oben probiert hat, ist sie gestorben“, meinte Liana trocken. Ich ignorierte ihren Kommentar. Ich erwartete ja nicht von ihr, dass sie sich in einen Kampf auf Leben und Tod stürzte. Sie sollte einfach nicht gegen mich sein, denn das tat mir weh. Liana war noch nie gegen mich
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