Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
ab. Ich musterte meinen Schreibtisch, der leer war, seitdem ich die Abi Prüfungen bestanden hatte. Ich zog die mittlere der drei Schubladen auf. Tatsächlich, da lagen noch zwei Schokoladenriegel. Nervennahrung für anstrengende Zeiten. Ich packte einen der Riegel aus, setzte mich auf den Boden vor mein Bett und biss hinein.
Vor dem Fenster sah ich bereits die ersten Silvesterraketen in den Himmel steigen. Ich wäre gern losgelaufen, um irgendetwas zu tun, doch Adam hatte mir nicht erlaubt, allein bis zum Anwesen der Torrels zu kommen. Sorgte er sich um alle Mädchen so oder machte er für mich einen Unterschied? Die süße Schokolade schmolz auf meiner Zunge und ich spürte, wie mich der vertraute Geschmack beruhigte. Über meine Figur musste ich mir keine Gedanken mehr machen. Seitdem ich Drachenjockey war, hatte der schweißtreibende Sport alle überflüssigen Pfunde schmelzen lassen. Ich knüllte das Papier zusammen und warf es in den Mülleimer.
Das leere Haus lenkte mich mit keinem Geräusch ab. Meine Großmutter war schon gestern nach Themallin aufgebrochen, dem Zentrum der Druiden, wo sie seit einer Weile den Jahreswechsel verbrachte.
Ich bereute unser Gespräch nicht und trotzdem war genau das eingetreten, was ich befürchtet hatte. Meine Großmutter hatte sich zurückgezogen. Sie war mir aus dem Weg gegangen und ich fühlte mich so unendlich allein. In mir war etwas erfroren, ihr ablehnendes Verhalten verletzte mich. Sie war meine Großmutter, war es falsch zu erwarten, dass sie ehrlich zu mir war? Ich konnte ihr nicht vergeben und trotzdem vermisste ich ihre liebevolle Fürsorge. Letztendlich hatte ich ihr Verhalten schweigend hingenommen und so waren wir schließlich still auseinandergegangen. Selbst Liana war nicht da, um mich zu trösten. Sie war mit ihren Eltern in Akkanka und froh, der Kälte zu entfliehen. Auch Paul war schon zurück nach Grünenthal gefahren, wo die Monsterparty der Superlative starten sollte, wie er mir ausführlich vorgeschwärmt hatte. Natürlich würde er den Abend mit Lion und Freddie verbringen und nicht mit Liana und mir, so wie es in den vergangenen Jahren gewesen war. Ich seufzte. Die Schwermut hatte mich wieder gepackt wie ein öliger Film, der an meiner Haut klebte und den ich einfach nicht loswurde.
Das einzige, was etwas Licht in mein Dunkel warf, war die Vorfreude auf den heutigen Abend. Niemand wusste darüber Bescheid, dass ich die Nacht bei Adam verbringen würde und das war auch gut so. Schließlich verstießen wir gegen die guten Sitten der magischen Gesellschaft.
Das kleine Glöckchen klingelte silberhell an meinem Fenster und machte dem zermürbenden Warten endlich ein Ende. Ich lief in den Garten, und da war er. Ein dunkler Schatten im Schutz des Pavillons. Mein Herz schlug schneller.
Er wartete auf mich, ganz so, wie wir es verabredet hatten. Trotz der Kälte trug er weder Handschuhe noch eine Mütze. Er war angespannt, das sah ich sofort.
„Hallo“, sagte ich. Das nervöse Beben in meiner Stimme würde ihm sicher nicht entgegen.
„Bist du bereit?“, fragte er mich kurz und sah sich prüfend um.
„Ja“, erwiderte ich und musterte sein schönes Gesicht mit den markanten Zügen, sein vertrautes Gesicht, das ich jetzt endlich in meinen Erinnerungen wiedererkannte.
„Gut, ich gehe voran bis zum Waldweg und warte dort auf dich unter der großen Tanne. Du kommst in zwei Minuten nach!“, ordnete er an.
„Bist du dir sicher, dass diese Umstände wirklich nötig sind?“, fragte ich. „Können wir nicht wie ganz normale Leute einfach zu euch hinübergehen?“
„Wir sind aber keine normalen Leute.“ Er wandte sich um und verschwand im Dunkeln. Ich zählte die Sekunden und folgte ihm kurz darauf durch die Steingasse, bis die Straße in den Waldweg überging. Der Schnee lag hier fast einen Meter hoch und nur noch ein schmaler Pfad führte hindurch. Fröstelnd ließ ich das Licht der letzten Häuser hinter mir und tauchte in die Dunkelheit des Waldes ein. Über dem hellen Schnee zeichneten sich die Konturen der Bäume und Äste dunkel ab. Ich war froh, als ich die alte Tanne erkannte, unter deren weit ausladenden Ästen Adam an den Stamm gelehnt stand. Als er mich sah, kam er zurück auf den Weg und lief wortlos vor mir durch die tief verschneite Dunkelheit. Es schien ihm keine Mühe zu bereiten, durch den hohen Schnee zu stapfen, der unter unseren Schritten in einem monotonen Rhythmus knirschte. Kraftvoll und schnell ging er voran und ich musste
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