Koenigsblut - Die Akasha-Chronik
Madame Villourie zeigte mit einer ausladenden Geste auf die umliegenden Türen. Jetzt ergab es einen Sinn. Wir reisten für die Vorlesungen einfach an andere Orte. „Mit ihren Stundenplänen erhalten sie am 1. Oktober auch ein Verzeichnis der Räume, die sie benutzen dürfen. Halten sie dazu bitte immer ihre Ausweise bereit, nur mit diesen können sie durch die Türen reisen.“ Madame Villourie ging weiter zu einer Treppe, die in die oberen Etagen führte. „Bitte folgen sie mir zu den Unterkünften!“ Der Tross setzte sich in Bewegung. Mir schmerzten schon die Oberschenkel von den vielen Treppen, die wir zurückgelegt hatten, als Madame Villourie endlich stehenblieb.
„Die Unterkünfte unserer Studenten liegen in den fünf Türmen“, schallte ihre Stimme hoch über unsere Köpfe hinweg. „Sie haben ihre Zimmer in diesem Turm, der nächste Jahrgang im nebenliegenden Turm und so weiter. Jeder Turm reicht zehn Etagen nach oben und in jeder Etage wohnen fünf Studenten. Hier im Erdgeschoss befindet sich ein Gemeinschaftsraum, in dem sie sich treffen können.“ Damit öffnete sie eine weite Flügeltür und wir traten in einen großen, gemütlichen Raum ein, der rundherum mit Fenstern verglast war, die viel Licht aus allen Himmelsrichtungen hereinließen und den Blick über das Land freigaben. Außerhalb der Mauern von Tennenbode war die Burganlage von Bäumen umgeben, bis das riesige Massiv steil abfiel. Der Blick nach unten war bestimmt berauschend. „Ihr Gepäck wurde schon von den Faun nach oben gebracht“, sagte Madame Villourie und trat zwischen die bunten Sofas und Sessel, die den Charme eines hippen Clubs verströmten und neben denen unser Gepäck fehl am Platz wirkte. „Die Nachtruhe beginnt zehn Uhr abends, dann hat jeder in seinem Zimmer zu sein.“ Ärgerliches Murren folgte ihren Worten.
„Um zehn geht der Abend doch erst los“, rief ein großer Junge mit braunem Haar, den ich noch aus der Schule kannte und der, soweit ich mich erinnern konnte, Thomas Kekule hieß.
„Glauben sie mir, sie werden dankbar sein, wenn sie sich um zehn Uhr ins Bett legen dürfen“, lächelte Madame Villourie vielversprechend. „Nicht vergessen, pünktlich zwölf Uhr gibt es Mittagessen in der Südhalle“, rief sie uns über die Schulter zu, während sie mit trippelnden Schritten durch die Flügeltür verschwand. Ich schielte auf die große Wanduhr. Wir hatten kaum noch eine Stunde Zeit und dieses Mal wollte ich nicht zu spät kommen.
Ich fand Liana in dem Getümmel, schnappte mir meinen Koffer und stieg mit ihr und Lorenz, der uns schnell folgte bis in die letzte Etage hinauf. Ich wollte das Zimmer mit dem besten Blick. Als ich die Tür zur Etage öffnete und durch einen schmalen Gang in ein großes, helles Zimmer trat, staunte ich. Es war gemütlich eingerichtet, drei Sessel und ein breites Sofa waren vor einem offenen Kamin gruppiert. Von dem riesigen runden Raum gingen sechs Türen ab.
„Oh, sieh mal, wie schön die Zimmer sind. Hier schlafe ich“, hörte ich Lianas Stimme begeistert aus einem der Zimmer.
„Das ist meins!“, tönte Lorenz Stimme von nebenan.
Ich trat ebenfalls in eines der Zimmer und sah mich um. Ich hatte schon mit Etagenbetten in zugigen Gemeinschaftsunterkünften gerechnet, aber ich hatte mein eigenes Zimmer und es war ebenso gemütlich wie das Studierzimmer eingerichtet, das wir gemeinsam benutzen würden. Auf dem steinernen Boden lag dicker, dunkler Teppich und es war behaglich warm im Raum. Ich stellte meinen Koffer neben einem riesigen Schrank ab und ließ mich zufrieden auf das große Bett fallen.
„Hast du das Bad gesehen?“, hörte ich Lorenz Stimme von nebenan.
„Schön groß“, antwortete Liana begeistert.
„Das ist doch nicht groß, honey, das geht grad so. Ich brauche übrigens jeden Morgen mindestens eine Stunde, bis ich fertig bin“, sagte Lorenz todernst.
„Da musst du halt zeitig aufstehen“, hallte Lianas Stimme durch die offene Tür. Ich schloss einen Moment lang die Augen und döste vor mich hin, während Liana und Lorenz die jedem zustehende Dauer der morgendlichen Badbenutzung ausdiskutierten. Ich musste kurz eingedöst sein, denn Lianas Rufen weckte mich unsanft. Missmutig befreite ich mich aus den Fesseln meines Traumes. Er hätte mich nie küssen dürfen! Wie konnte er mir das antun? Mich in das Paradies eintreten zu lassen, um mir gleich danach die Tür wieder vor der Nase zuzuschlagen. Mühsam erhob ich mich und trat in das große
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