Königsfreunde (German Edition)
Gras, hinter ihm wuchsen Bäume, und man hatte Aussicht auf ein Flusstal, das in der strahlenden Sonne lag. Er zielte sehr gerade in Richtung des Türschlosses.
»Wohin zielt er?«, fragte Clara und ihre Stimme überschlug sich fast. Sie waren ganz nah dran!
»Auf das Türschloss. Auf die Wand.« Marquard betastete die gegenüberliegende Wand ganz genau. Irina war neben die beiden getreten und Clara versuchte, die Geräusche der Suchenden im Hintergrund auszublenden. Sie besah sich das Türschloss, aber da war nichts.
»Wir übersehen immer noch was«, sagte Marquard. Er fuhr mit der Hand über die Tür, über den Kopf des Schützen, die Bäume, die Sonne.
»Halt!«, rief Clara. »Hier! Seht mal! Die Sonne, sie sieht genauso aus wie die hier!« Sie deutete mit dem Schuh auf das Mosaik. Ein Zierbogen mit einer Sonne in der Mitte lag genau vor dem Eingangsbereich.
»Stimmt, aber was hat das damit zu tun?«, fragte Irina.
Clara fasste den Türgriff an. »Die Tür kann man bewegen. Hierher.« Sie zog die Tür wieder auf, vor der lauter verdutzte Wachen auf Marquard warteten. Clara positionierte die Tür so, dass die Sonne auf dem Gemälde genau über der Mosaiksonne lag.
»Man muss die Tür genau halb öffnen, dann liegen die Sonnen in einer Linie. Ob es das ist?«, fragte Clara.
»Wir werden sehen«, sagte Marquard. »Wohin zeigt der Schütze?«
»Da hin!«, rief Irina. Alle folgten ihrem Blick zu der holzvertäfelten Wand. Dort hatte man das Mosaik des Bodens als Relief ins Holz geschnitten. Drei Kreise, die um eine Sonne lagen, überspannt von einem Bogen.
»Und die Kreise sehen wie eine Zielscheibe aus. Die Sonne ist die Mitte!«, schrie Clara und rannte quer durch den Raum auf die Wand zu. »Welche Sonne ist es?«
Marquard und Irina folgten ihr durch das Durcheinander von Büchern, Gerätschaften, Ziergegenständen und suchenden Menschen. Die hatten inzwischen innegehalten und beobachteten, was Clara tat. Ihre Finger fuhren über die Oberfläche des Reliefs. Sie drückte auf eine Sonne. Nichts geschah.
»Hier sind Einkerbungen. Es hat was mit dieser Sonne zu tun«, sagte Marquard. »Es ist genau diese, wenn man denkt, der Bogenschütze zielt auf etwas.«
»Ich drücke ja schon ...« Clara presste verzweifelt ihre Hand auf das Holz. Es war zum Verrücktwerden.
»Drehen«, sagte Irina. »Versuch mal, es zu drehen.«
Clara spreizte die Hand und ihre Finger kamen zwischen den Strahlen der Holzsonne zum Liegen. Sie packte zu und drehte. Das Holz bewegte sich und Clara zitterte vor Aufregung. Es gab ein schnappendes Geräusch und dann gab die Wand vor ihr nach. Sie schrie vor Begeisterung auf, als sie die dunkle Kammer sah, die dahinter lag.
»Wir brauchen Licht!«, rief Marquard. »Schnell!«
Im Schein der Kerzen und kleinen Lampen standen sie in Ludwigs geheimer Kammer. Irina hatte ihnen allen geraten, absolut nichts anzufassen. Hier braute Ludwig sein Gift, und man wusste nicht, woran etwas davon haftete. Auf schmalen Tischen standen Glasgefäße, Mörser und Schalen. Die Wände waren mit Regalen überzogen, in denen unzählige Fläschchen standen. Alle waren penibel beschriftet. Clara las die Namen von Kräutern, die sie nur zum Teil kannte. Und es gab Flaschen mit Nummern darauf ohne Erklärung. Irina hatte sich über ein dickes Buch mit handschriftlichen Aufzeichnungen gebeugt und blätterte darin.
»Findest du was?«, fragte Clara. Irina nickte.
»Hier müsste alles stehen, was wir brauchen. Ich glaube, ich habe es!« Sie murmelte leise vor sich hin. »Es ist die Blauwurzel! Ich wusste es! Gegenmittel: Nummer 44!«
Clara flog fast herum und suchte das Regal ab. Die Flaschen waren numerisch geordnet und von der 44 gab es vier volle Fläschchen.
»Da sind vier Stück!«, rief sie.
»Die nehmen wir alle und jetzt so schnell wie möglich zu seiner Majestät! Die Dosierung habe ich mir gemerkt!« Irina nahm die Fläschchen an sich. »Kommt, beeilt euch!«
Clara und Irina liefen voran, aber Marquard kam nur bis zur Tür, bevor er wieder festgenommen wurde.
»Viel Glück euch!«, rief er ihnen nach. Der Gruß des Tals. Clara warf ihm noch einen Blick zu. Er stand zwischen den Wachen, die ihn festhielten. Dann führten sie ihn ab.
Die Tür zu Robins Zimmer flog regelrecht auf, sodass Nesa und Jakob, die an Robins
Bett wachten, aufsprangen.
»Wir haben es!«, rief Clara, und Nesa schlug die Hände vors Gesicht.
»Ich hoffe nur, es ist nicht zu spät«, sagte Alberic. »Seine
Weitere Kostenlose Bücher