Königsfreunde (German Edition)
hochschwangerem Bauch und verlängerter Nase. Sie langte nach einer weiteren Beere und berührte warme Haut. Sie wandte den Kopf und sah in Robins Augen. Er hatte im selben Moment nach den süßen Früchten gegriffen.
»Tut mir leid«, sagte Clara. Robin hielt ihrem Blick stand.
»Macht doch nichts.«
Er schaute nicht weg. Wahrscheinlich tat man das nicht als König. Alle anderen hatten den Blick zu senken. Clara schaute wieder in den Himmel. Sie wollte sich jetzt nicht wieder ärgern und auf eine merkwürdige Art war es auch nicht ärgerlich. Wenn man mit einem König zu tun hatte, musste man andere Maßstäbe anlegen. Robin war eben kein gewöhnlicher Junge. Eine Weile lagen sie noch so da und Clara spürte, dass sie jetzt aufstehen musste, sonst würde sie einschlafen. Die Sonne machte sie müde. Sie atmete durch und nahm sich noch eine Beere.
Kühle Luft strich ihr über die Stirn. Clara öffnete die Augen und wusste erst nicht, wo sie war. Sie war doch eingeschlafen. Ein wenig erschrak sie bei dem Gedanken. Hoffentlich machten sich ihre Eltern keine Sorgen. Wie viel Zeit war vergangen? Sie spürte etwas an ihrer Schulter. Robins Kopf berührte sie. Seine Wange ruhte an ihrem Oberarm. Er schien tief zu schlafen. Clara blieb still liegen und dachte nach. Merkwürdig, dass sie beide eingeschlafen waren und Robin im Schlaf so nah zu ihr gerollt war. Es war höchste Zeit, ihn zu wecken und nach Hause zu gehen, aber etwas hielt sie davon ab. Robin atmete wieder tief ein, dann kam ein Wimmern aus seiner Kehle. Clara richtete sich vorsichtig auf und sah auf ihn herab. Unter seinen Lidern bewegten sich die Augen, seine Hand zuckte. Robin träumte und anscheinend nichts Angenehmes. Clara legte ihre Hand auf seinen Arm und schüttelte ihn leicht. Erst reagierte er nicht, dann fuhr er zusammen und Clara sah, wie sich seine Augen öffneten. Er riss sie nicht auf, womit sie gerechnet hatte, vielmehr blickte er in die Ferne, als wäre er noch nicht in dieser Welt angekommen.
»Robin«, flüsterte Clara. »Komm zu dir! Es ist alles gut.«
Robins Blick flog von einem fernen Punkt zu ihrem Gesicht. Clara sah Angst in seinen Augen. Und Verwirrung.
»Wir sind noch auf der Wiese. Alles ist gut. Wir sind eingeschlafen. Weißt du noch?«, fragte sie.
Robin blinzelte und setzte sich auf. Er wirkte immer noch abwesend.
»Hattest du einen Alptraum?«, fragte Clara. Robin sah sie kurz an, dann nickte er langsam.
»Wir gehen jetzt nach Hause. Es war nur ein Traum. Es ist nichts passiert«, sagte sie. »Komm.« Sie reichte ihm ihre Hand. Robin ergriff sie und ließ sich auf die Beine ziehen.
Dann raffte sie alles zusammen. Die Beerenbeute war natürlich dürftig ausgefallen und sie würde ihrer Mutter das erklären müssen, aber jetzt wollte sie erst mal Robin nach Hause schaffen, der sich von ihr fast willenlos den Sammeleimer in die Hand drücken ließ.
Gemeinsam gingen sie den Weg zurück, schweigend. Clara ließ Robin in Ruhe, sprach ihn nicht darauf an und er machte keine Anstalten, es ihr zu erzählen.
Nesa empfing die beiden Heimkehrer besorgt, aber auch erleichtert. Jakob hatte sich schon bereit gemacht, sie zu suchen und legte seinen Mantel und die Laterne wieder ab. Auch er schien mehr beruhigt als ungehalten zu sein. Clara erzählte von dem schlechten Traum und ihre Eltern trösteten Robin, der immer noch abwesend wirkte. Er ging nach draußen, um in der Dämmerung noch etwas Holz zu spalten, während Clara und Nesa sich um die Beeren kümmerten.
»Was hat Robin denn?«, fragte Clara als sie allein waren.
»Ich weiß es nicht, Liebes«, sagte Nesa und kippte die gewaschenen Beeren auf ein Tuch, um die schlechten herauszulesen. »Ich denke, er hat viele Sorgen. Er muss schwere Entscheidungen fällen. Wir können uns sein Leben und diesen Zwiespalt wohl nicht vorstellen. Es ist unerträglich, wenn man nicht weiß, was man tun soll im Leben. Es gibt so viele Menschen, die von Robin abhängig sind. Deren Schicksal will er vielleicht nicht anderen überlassen, die jetzt an seiner Stelle entscheiden.«
Clara dachte darüber nach. Sie stellte sich tausende Menschen vor, die von ihr erwarteten, dass sie entschied, was das Beste für alle war. Unglaublich. Robin war kaum älter als sie und man verlangte so was von ihm. Dabei wollte er selbst vielleicht etwas ganz anderes. Vielleicht wollte er barfuß im Gras sitzen und Beeren essen, aber das gestattete man ihm nicht.
»Er tut mir irgendwie leid«, sagte Clara. Nesa
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