Königsfreunde (German Edition)
und zog Wiesel von ihrem Futter hoch, die sich zunächst sträubte, sich aber dann kauend das Kopfteil anlegen ließ. Clara führte das Pony aus dem Gehege, sprang hoch und schwang sich auf Wiesels Rücken. Dann drückte sie ihm die Beine an den Bauch und sah ihren Vater über den Hof rennen, gefolgt von ihrer Mutter. Wiesel schoss davon und dann hörte Clara nur noch galoppierende Hufe und sah den Weg im Dämmerlicht vor sich.
»Die holen wir ein, Wiesel«, sagte Clara und beugte sich dicht über die Mähne, um den fliegenden Ästen auszuweichen. Wiesel schnaubte fröhlich und legte an Geschwindigkeit zu. Sie kannte diesen Weg im Schlaf. Clara brauchte nicht zu lenken. Der Trupp mit Robin würde erheblich langsamer vorankommen und ihr Weg war ein ganzes Stück kürzer. Aber sie musste noch zu Belas Haus ... und was war, wenn er doch schon abgereist war? Wenn er sich früher auf den Weg gemacht hatte oder nicht zu Hause war? Clara wurde schwindelig bei dem Gedanken. Ja, Bela war der einzige Mann, auf den der wütende Mob noch hören würde. Sie musste an Robin denken, der eben noch friedlich den Küchenboden gekehrt hatte und jetzt auf dem Weg zu seiner eigenen Hinrichtung bewusstlos über einem Sattel lag.
Der Gedanke schürte ihre Wut und ihre Angst. Diese erbärmlichen Feiglinge!
Clara zügelte Wiesel und ließ sie langsamer laufen. Geschickt lenkte sie das Pferdchen vom Weg ab durch ein trockenes Bachbett und einen Hügel hinauf. Sie sah schon die Lichter der ersten Häuser vor sich in der gerade hereingebrochenen Nacht. Sie konnte es schaffen, es kam auf jede Minute an.
Wiesel tänzelte geschmeidig durch das Unterholz und Carla war dankbar, dass sie so ein zuverlässiges Pferdchen besaß. Kurz flackerte in ihr das schlechte Gewissen auf bei dem Gedanken, wie sie Robin verspottet hatte wegen seiner nicht vorhandenen Reitkünste. Sie war schrecklich zu ihm gewesen. Und das würde sie jetzt wieder gutmachen.
Die letzten Meter zu Belas Haus legte sie im Galopp zurück und sprang kurz vor der Haustür zu Boden, bevor Wiesel ganz anhielt. Sie stürzte zu Belas Haustür und hämmerte dagegen. Sie schrie und trommelte mit den Fäusten, dann wurde die Tür aufgerissen und sie fiel nach vorn in Belas Arme.
»Sie haben Robin«, keuchte sie. »Sie wollen ihn hängen! Du musst sofort mitkommen.«
Eine Menschentraube hatte sich auf dem Platz in der Mitte des Dorfes gebildet. Anscheinend hatte die Nachricht von der Festnahme des Königs schon die Runde gemacht. Clara hörte Lentz mit lauter Stimme sprechen. Und dann sah sie ihn auch. Er stand auf einem Fass, so dass ihn alle sehen konnten und hielt eine Fackel in der Hand. Die Sonne war inzwischen vollständig untergegangen und der flackernde Schein erhellte sein Gesicht.
»Jetzt ist es soweit!!«, schrie Lentz. »Ihr seid alle hier, damit wir uns vom letzten Spross des Unterdrückers befreien können! Nichts hält uns mehr auf, danach können wir das Tal verlassen und aus und ein gehen, wie wir wollen!«
Clara trieb Wiesel vorwärts und die ersten Leute wichen ihr aus. Bela war direkt neben ihr und sein Pferd teilte die Menschenmenge vor ihnen mit seiner Körpermasse.
»Aus dem Weg!«, donnerte Bela und Lentz sah zu ihm auf.
»Bela, halt dich da raus! Wir erledigen das.«
»Schweig!«, sagte Bela. »Was ist nur in euch gefahren? Seid ihr des Wahnsinns?« Er schwang sich vom Pferd und Clara hörte in diesem Moment zwei andere Pferde herankommen. Ihre Eltern waren da!
»Lasst mich durch!«, hörte sie ihre Mutter rufen. Clara reckte den Hals und dann sah sie Robin. Er wurde von zwei Männern festgehalten. Sein Kopf war auf die Brust gesunken. Er schien noch benommen oder bewusstlos zu sein. Clara sah Blut an seiner Stirn. Sie mussten ihn wieder geschlagen haben.
»Was tut ihr hier?« Bela hatte sich vor der Menge aufgebaut. »Ihr seid dabei, ein Kind hinzurichten. Was hat euch so blind gemacht, dass ihr alle euch auf einen Jungen stürzt wie die Wölfe?«
»Er ist der König, Bela!«, rief Lentz. »Wenn er stirbt, sind wir frei!«
»Es ist eine Schande, wie wenig Ahnung du von der Welt hast, Lentz. Sein Tod hat mit eurer Freiheit nicht das Geringste zu tun! Anstatt die Gelegenheit zu nutzen, euch mit dem König anzufreunden, bringt ihr ihn gegen euch auf! Ich habe euch wirklich für klüger gehalten.«
»Ihr sollt uns durchlassen!«, schrie Nesa, aber die Menge bewegte sich nicht. Clara versuchte, ihre Mutter zwischen all den Menschen zu sehen,
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