Königskind
neuen Wohltaten vergelten wollt, müßt Ihr
nur befehlen. Was mich angeht, dürft Ihr versichert sein, daß ich es nie werde ermangeln lassen an dem, was eine Königin ihren
Untertanen, was |413| eine Untertanin ihrem König und was eine Mutter ihrem Sohn schuldig ist.«
Ludwig begnügte sich, dieses höfische Weihwasser mit einer weiteren Verneigung entgegenzunehmen. Als guter Tänzer und von
einem trefflichen Meister gebildet, legte er Anmut darein und, für mein Gefühl, auch in diese Anmut noch stumme Ironie.
Als Monsieur de Luynes ihn mit einem Blick um die Erlaubnis zu sprechen ersuchte, erteilte er sie ihm durch ein Kopfnicken.
Sogleich trat der Favorit vor, beugte vor Maria das Knie, küßte den Saum ihres Kleides und sprach der Königin für ihre ihn
betreffenden guten Worte seinen um so übertriebeneren Dank aus, als er nicht den geringsten Glauben an ihre Versprechungen
bekundete. Er begleitete diese Dankesworte zudem mit endlosen Schwüren und Beteuerungen, ihr stets zu dienen und sich auf
immer ihrem Willen zu unterwerfen. Monsieur de Luynes entfaltete ein Feuerwerk der leeren Worte, um dieses trügerische Gespräch
zu beschließen, in dem nichts Wahres gesagt worden war, nichts von irgendwelcher Konsequenz und nichts, was das Mißtrauen
und die Furcht hätte zerstreuen können, die Mutter und Sohn voreinander hegten.
Bei weiterem Nachdenken hierüber gelangte ich zu dem Schluß, daß die Marschälle von Ancre diesen seltsamen Schritt veranlaßt
hatten. So oft und seit Jahren hatten sie behauptet, Ludwig sei ein ›Idiot‹, daß sie es nun selbst glaubten. Sie hatten gehofft,
Ludwig werde in die grobe Falle tappen, die sie ihm durch seine Mutter stellten, und seine Absichten naiv enthüllen. Die Tatsache,
daß er sich aber in keiner Weise entblößt hatte, mußte sie von nun an noch mehr beunruhigen, und die Königin auch.
Kurze Zeit später erfuhr ich, daß Maria in Italien das Fürstentum von Mirandola zu kaufen suchte, eine Vorbereitung auf einen
friedlichen Rückzug, falls die Ereignisse sie zwingen sollten, Frankreich zu verlassen. Warum, wenn sie solche Befürchtungen
hegte, bemühte sie sich nicht, die Zuneigung ihres Sohnes zu gewinnen oder wenigstens seine Gefühle zu schonen? Aber die blinde
Heftigkeit, ein Grundzug ihres Charakters, obsiegte. Kurze Zeit, nachdem sie Ludwig angeboten hatte, ihm die Macht zu übergeben,
spielte sich vor dem versammelten Rat eine Szene ab, die den ganzen Hof erstarren ließ.
|414| Ludwig, der erfahren hatte, daß im Rat eine Frage von Bedeutung verhandelt würde, ohne daß man ihn hinzugerufen hatte, begab
sich ungeladen in den Saal, wo die Sitzung stattfand. Sowie er erschien, wurde die Königinmutter zornrot, erhob sich, und
indem sie ihm entgegentrat, faßte sie ihn am Arm und führte ihn zur Tür mit der Bitte, ›sich woanders zu tummeln‹. Ludwig
erbleichte, sagte aber kein Wort. Das Bewußtsein seiner Würde hinderte ihn, sich öffentlich mit seiner Mutter zu streiten.
Er warf ihr einen eisigen Blick zu und zog sich nach knapper Verneigung zurück.
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|415| FÜNFZEHNTES KAPITEL
Je deutlicher ich mich erinnere, was seit der Rückkehr des Prinzen Condé nach Paris geschah, desto mehr muß ich staunen, daß
ein so folgenschweres Ereignis wie die Kriegserklärung der Königinmutter an die Großen durch eine so nichtssagende Botschaft
veranlaßt wurde, wie sie der Erzbischof von Bourges dem Concini überbrachte: »Der Herr Prinz läßt Euch sagen, daß er nicht
mehr Euer Freund ist.«
Weshalb hatte der ehrgeizige Erzbischof nicht abgewartet, ehe er die kriegerischen Worte ausrichtete? Denn am nächsten Tag
war Condé wieder anderer Meinung und bestritt alles … Vergebens! Concini war bereits nach Caen abgereist, in ziemlicher Panik,
aber auch voll Erbitterung über den Undank des ersten Mannes unter den Großen: von Anfang an hatte er sich ihm verbündet,
weil er sich sagte, wenn seine Frau den Willen der Königinmutter lenkte und der Erste Prinz von Geblüt sein Freund war, konnte
ihm gar nichts passieren.
Darum ja hatte er Maria vermittels seiner Frau jene Politik des Nachgebens eingeblasen, die auf die ständigen Rebellionen
der Großen mit Verträgen reagierte, die sie mit Schenkungen und Pfründen überhäufte. Was scherte es Concini, daß der Staatsschatz
für diesen Stillhaltepakt aufkommen mußte. Die Prinzen und er plünderten ihn von beiden Seiten wie Gauner auf dem
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