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Königskinder

Königskinder

Titel: Königskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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nicht, um sie zu demütigen. Ich nahm damit keine Rache, sondern tat ihr einen Gefallen: Ich machte es ihr leichter, ihr eigenes Verhalten zu ertragen, und beruhigte mit meiner Seitensprung-Beichte ihr Gewissen zumindest ein wenig. »Wir haben es beide verbockt«, sagte ich zu ihr.
    »Aber ich sicher mehr als du«, murmelte sie mit ihrer typischen leisen Stimme.
    »Darauf kommt es nicht an.«
    Ich wusste, dass ich Sophie nun nicht mehr heiraten konnte. Ich wollte es auch gar nicht mehr. Ich würde niemals wieder mit ihr Sex haben können, ohne an das Bild denken zu müssen, das sich mir dargeboten hatte, als ich sie mit Hassan erwischt hatte. Und ich begriff, dass ich angesichts der Situation viel zu wenig Traurigkeit und Schmerz empfand, als dass das, was Sophie und ich zusammen hatten, wirklich für die Ewigkeit bestimmt war. So viel zum Thema Seelenverwandte . Ich hatte an diesem Tag nicht die eine große wahre echte allumfassende Liebe verloren, sondern ein entspanntes, freundliches und – ja! – liebevolles Arrangement. Das ist mehr, als viele andere Menschen in ihrem Leben je bekommen, aber für mich trotzdem zu wenig. Ich erwartete mehr. Ich wollte nicht bloß ein wohliges Gefühl in meinem Bauch. Ich wollte einen Orkan in meinem Herzen.
    Bei diesem Gespräch mit Sophie dämmerte mir zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich nicht ausschließlich ein rational denkender Mensch war. Ich war auch ein Romantiker.
    Ich war aufrichtig überrascht, als ich das begriff.
     
    Ich sagte Sophie, alles sei okay und sie solle tun, was immer ihr Herz und Lenden befahlen. Ja, das sagte ich wirklich: »Tu, was du tun musst, Sophie. Was immer dir Herz und Lenden befehlen.« Ich hatte es als kleinen Scherz gemeint, als ironisch-antiquierte Formulierung, die unserer Situation ein wenig die Schwere nehmen sollte, doch Sophie nickte sehr ernst. Ironie ist nicht meine herausragende Charaktereigenschaft, und wenn ich es damit probiere, kapieren es offenbar nur die wenigsten.
    »Wie soll es denn jetzt weitergehen?«, fragte sie.
    »Mach dir keine Gedanken. Ich ziehe vorübergehend wieder zu meinem Vater. Meine Sachen komme ich irgendwann in den nächsten Tagen abholen, okay?«
    Sophie nickte schluchzend.
    Als ich in meinem Elternhaus eintraf und meinem Vater die Situation erklärte, umarmte er mich und sagte leise: »So ist das Leben eben, Mark.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Das wird schon wieder«, sagte er.
    »Klar«, sagte ich. Und dachte: Muss es gar nicht.
    Dann bestellte ich uns beiden Pizza. Für meinen Vater mit extra Käse; er war sehr dünn geworden in den letzten Monaten.
    Wir spielten Schach zusammen, und wir genossen es. Ich fragte ihn, wie es ihm ginge und was er so treibe, und er erzählte von seiner Arbeit. Nur von seiner Arbeit. Sein Leben war ein bloßes Funktionieren geworden. Doch ich war zu jung und zu sehr mit meinen eigenen geplatzten Lebensträumen beschäftigt, um meinem Vater helfen zu können. Ich hätte auch gar nicht gewusst, wie.
     
    Abends klingelte das Telefon. Mein Vater nahm ab, meldete sich und reichte mir dann den Hörer.
    »Hallo?«, fragte ich.
    »Mark, was machst du denn für Sachen«, sagte die Stimme meines Beinahe-Schwiegervaters. »Einfach abzuhauen! Das ist doch sonst nicht deine Art. Komm schon, das kriegen wir doch alles wieder hin!«
    »Hallo, Walter. Da ist nichts mehr hinzukriegen. Aber es ist schon okay.«
    »Nichts ist okay!«, rief Walter. »Ich habe Sophie gesagt, dass sie so einen wie dich nie wieder findet! Und dass sie verrückt ist, wenn sie dich gehen lässt. Und dass ich …«
    »Walter«, unterbrach ich ihn, »Sophie hat offenbar andere Ansprüche und Wünsche an einen Mann als du.« Ich dachte wieder daran, wie sie »Fick mich! Fick mich härter!« geschrien hatte, als Hassan sie wild vögelte, und ich konnte nicht anders: Ich musste plötzlich lachen. Nein, das waren sicher nicht die Wünsche, die Walter in Bezug auf einen Mann hatte. »Was ist denn daran jetzt so komisch?«, fragte Walter.
    »Lass Sophie einfach ihr eigenes Leben leben«, schlug ich vor.
    »Ihr könntet zusammen in Urlaub fahren. Euch aussprechen, eure Liebe neu entfachen. Das machen Sophies Mutter und ich auch manchmal, wenn wir unsere Durchhänger haben. Ich habe da Connections zu einer Hotelkette auf den Malediven, da könnte ich euch gleich morgen …«
    »Da ist nichts mehr zu entfachen«, unterbrach ich ihn. »Es ist so wie es ist. Und wahrscheinlich war es ohnehin alles total überstürzt. Wir

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