Königskinder
war aber echt schusselpatschig von dir!«
Jetzt fiel mir auch der Name wieder ein. Er war wirklich ungewöhnlich und sehr schön: Sie hieß Luna. Sie kam aus Südamerika. Woher genau, habe ich vergessen. Sie lächelte so arglos und fröhlich und hatte solch eine unkomplizierte Aura, dass ich sie einfach fragte, ob sie ein Bier mit mir trinken würde. Und sie sagte erstaunlicherweise ja.
Wir gingen in eine kleine Kneipe in einer Seitenstraße. Wir redeten. Und wir lachten. Wir tranken so viel, dass wir irgendwann zu knutschen begannen und ich ein Taxi heranwinkte und wir zu ihr nach Hause fuhren.
Und dort wachte ich am nächsten Morgen dann auf.
Es war der erste One-Night-Stand meines Lebens. Ich hatte keine Ahnung, was ich nun zu tun hatte. Rein gefühlsmäßig hätte ich mich am liebsten stillschweigend verkrümelt. Aber das erschien mir unhöflich und chauvinistisch. Andererseits würde ich Luna auch nicht wiedersehen wollen. Das war hier nicht der Beginn einer Romanze; ich hatte mich nicht verliebt oder so etwas. Tatsächlich meinte ich mich zu erinnern, dass ich sie gen Ende sogar etwas langweilig zu finden begonnen hatte. Sie war hübsch und sexy und unkompliziert. Deshalb lag ich nun neben ihr. Mehr nicht. Ich hatte Rache an Sophie genommen, wenn auch nicht ganz in der gut ausgeleuchteten Porno-Heftigkeit, die ich mir vorgenommen hatte. Und ich war mir inzwischen auch nicht mehr sicher, ob ich es Sophie wirklich erzählen würde. Ich Idiot hatte sogar ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Das muss man sich mal vorstellen!
Was tun also? Ich beschloss, dass ich es handhaben würde, wie es mir Walter für Business-Termine beigebracht hatte: unverbindlicher Smalltalk, freundliche Gesten, eine gewisse, höfliche Zeit, in der ich mich noch mit Luna beschäftigen würde, bevor ich ohne Gesichtsverlust und ohne sie zu beleidigen, verschwinden könnte. Kurz: Auf einen Kaffee würde ich noch bleiben.
Ich stupste Luna vorsichtig an.
»Hallo?«, sagte ich. »Luna?«
Luna knurrte. Es klang wie ein Hund.
»Luna? Bist du wach?«
Sie knurrte noch einmal, dann brummte sie in ihr Kissen, ohne auch nur den Kopf zu heben: »Warum weckst du mich in aller Herrgottsnacht? Lass mich schlafen!«
Okay, dachte ich, auch gut. Ich konnte also gehen. Einfach so. Niemand konnte mir nun deswegen einen Vorwurf machen.
Ich stand auf, zog eilig meine Sachen an und trat dann in den Flur. Es war eine große Wohnung. Mir fiel wieder ein, dass Luna erzählt hatte, sie würde in einer WG wohnen. Im Flur hing ein Plakat, auf dem mich ein vermummter Mann aufforderte, Waffen für Nicaragua zu spenden. Ich hatte keine Waffen dabei. Sorry.
Ich überlegte kurz, ob ich schnell aus der Tür huschen sollte, bevor ich womöglich noch einem ihrer vermutlich militanten Mitbewohner begegnen würde, doch dann wurde mir der vehemente Druck auf meiner Blase bewusst. Ich öffnete vorsichtig eine Tür und hatte Glück: Es war tatsächlich ein Bad mit Toilette. Ich trat ein und verschloss die Tür hinter mir. Es war ein erstaunlich sauberes Bad für eine revolutionäre Wohngemeinschaft.
Ich hatte gerade gepinkelt und die Spülung betätigt, als es an der Tür klopfte.
»Luna?«, fragte eine Frauenstimme. »Bist du das? Brauchst du noch lange?«
Ich antwortete nicht. Scheiße, war das unangenehm! Ich wollte nur noch nach Hause. Auch wenn dort eine fremdgehende Verlobte auf mich wartete, mit der ich wichtige Entscheidungen zu fällen hatte.
»Sanne?«, fragte die Frau nun.
»Nein«, antwortete ich.
»He!«, rief die Frau nun. »Wer von euch ist da schon wieder drin? Das ist das Frauenklo, verdammt noch mal!«
»Entschuldigung.« Meine Stimme kiekste etwas peinlich. Ich räusperte mich. »Das wusste ich nicht.«
»Oh«, sagte die Frau. »Wer bist du denn?«
»Ich bin … ich hab bei Luna übernachtet«, antwortete ich.
»Ach so«, sagte die Stimme. »Alles klar. Willst du einen Kaffee? Ich mache gerade einen.«
Ich zögerte. Andererseits: Wenn ich ablehnte, würde sie vermutlich vor der Tür stehen bleiben. »Ja, gern.«
»Mit Milch?«, wollte die Stimme wissen, die sich nun entfernte. Offenbar ging die Frau zurück in die Küche.
»Ja, bitte, und mit viel Zucker«, rief ich, um mir noch ein bisschen mehr Zeit zu erkaufen.
»Okay«, antwortete die Stimme. Sie war nun ganz leise und offenbar in der Küche angekommen.
Ich öffnete leise, ganz leise die Tür, lugte vorsichtig durch den Spalt, schlich hinaus, öffnete die Wohnungstür und hastete
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