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Königskinder

Königskinder

Titel: Königskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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hätte man das Schaf denn sonst nennen sollen?«
    »Ich weiß auch nicht«, murmelte Alabama Karl und kratzte sich irgendwo unter dem Tisch. Ich hoffte, es war am Oberschenkel. »Irgendwie origineller. Ich meine, das sind schottische Wissenschaftler. Und Schotten sind doch eigentlich sehr lustige Menschen. Die müssten doch einen Namen finden, der dem Anlass angemessener ist.«
    »Laborella«, schlug ich vor.
    Alabama lächelte.
    »Orwellinchen«, bot meine Mutter an. »Madame Huxley. Oder gleich Kafka … Kafkaletta … oder Kafkalinchen.«
    »Wir könnten T-Shirts drucken«, schlug Alabama vor. »Mit einem Bild von Dolly drauf und einem Reagenzglas und darüber schreiben wir: Take this, Darwin! « Mein Vater hatte ständig Geschäftsideen. Selten gute.
    »Oder wir drucken die Spice Girls auf das T-Shirt und schreiben unter das Bild: Wer sagt denn, dass Dolly das erste Laborexperiment war? «, schlug ich vor.
    »Zu lang«, sagte mein Vater. »T-Shirt-Sprüche müssen kurz sein.«
    »Euch ist schon klar, dass wir gar keine T-Shirts in unserem Laden verkaufen, oder?«, wandte meine Mutter ein.
    »Kann man doch ändern«, sagte Karl. »Nur was in Bewegung bleibt, lebt.«
    Das erschien mir ein perfektes Stichwort, um die Neuigkeit loszuwerden, die ich an diesem Morgen zu verkünden hatte. »Ich bewege mich auch«, sagte ich. »Ich gehe nach Berlin.«
    »Was?«, riefen meine Eltern überrascht.
    »Warum?«, fragte meine Mutter.
    »Cool«, sagte Alabama. »Berlin ist cool. Sehr coole Musikszene.«
    »Was willst du denn in Berlin?«, wollte meine Mutter wissen.
    »Weiß ich noch nicht«, sagte ich. »Aber hier in Hamburg ist alles so … ich weiß nicht mehr, was ich hier noch soll. Und in Berlin … Berlin is happening. «
    »Was soll denn das heißen«, fragte meine Mutter, »Berlin passiert?«
    »Das sagt man so«, erklärte ich. »Das heißt: in Berlin passiert es.«
    »Was?«
    »Das Leben«, antwortete ich. »Da tobt das Leben. Und da gibt es Chancen, etwas aufzubauen. Voranzukommen. Überhaupt erst mal etwas zu beginnen.«
    »Ich kenne da eine WG, in der du unterschlüpfen könntest«, bot mein Vater an, doch ich winkte ab.
    »Keine WG mehr. Ich will … ich muss endlich für mich allein … also, mit mir allein …«
    »Warum willst du denn allein sein?«, fragte meine Mutter. »Saraswatimäuschen, du bist wirklich nicht der Typ zum Alleinsein.«
    »Das ist ’ne sehr coole WG«, versprach Alabama. »Acht Leute. Drei davon spielen in einer Salsagruppe. Da tobt auch das Leben, glaub mir.«
    »Ich will nicht mehr einfach nur so herumwurschteln«, gab ich meine neue Lebensplanung bekannt. Ich hatte viel nachgedacht in den letzten Monaten seit meiner Rückkehr aus Costa Rica und meiner schmachvollen fristlosen Kündigung bei Greenpeace . »Ich will mir Ziele setzen und auf etwas zusteuern. Ich bin es leid, ohne Plan durchs Leben zu stolpern.«
    »Was für ein Ziel denn?«, fragte meine Mutter.
    »Ich werde es erkennen, wenn ich es sehe«, behauptete ich. »Ich werde die Augen aufhalten, die Möglichkeiten sondieren und im rechten Moment zuschlagen.« Ich hoffte, es klang überzeugter, als ich tatsächlich war. »Ich will nicht mehr im Kreis gehen, sondern geradeaus!«
    Ich hatte eine Riesenangst vor diesem Schritt. Aber so wie es war, ging es nicht weiter. Ich hatte nur dieses eine Leben, und ich wusste, dass ich es vertrödelte und verschwendete. Ich konnte nicht mehr ziellos vor mich hin existieren. Es machte mich unglücklich.
    *
    »Ich bin es einfach leid, ständig ein Ziel haben zu müssen, ständig auf etwas zuzusteuern«, sagte ich. »Ich will mich zur Abwechslung einfach mal treiben lassen. Ich steige aus!«
    Hassan und Sophie betrachteten mich mit offensichtlicher Skepsis. Wir saßen in unserem Stammlokal, der Taverna Romana am Schulterblatt, hatten gerade Pasta und Salate verdrückt und tranken nun Bier (Hassan und ich) und O-Saft (Sophie). Die beiden kannten mich gut genug, um zu wissen, dass ich gerade ein radikal artfremdes Verhalten an den Tag legte.
    »Alter, das klingt nach voll dem Scheißplan!«, verkündete Hassan deshalb.
    »Das ist überhaupt kein Plan«, widersprach ich. »Das ist ja gerade das Tolle daran!«
    »Wo willst du noch mal hin?«, fragte er.
    »Brandenburg«, sagte ich nun schon zum dritten Mal an diesem Abend.
    »Das ist bei den Ossis, oder?«
    Sophie seufzte.
    Ich hatte mir in einem kleinen Ort namens Linstahn einen Resthof gekauft. Ich hatte in der Zeit bei Walter eine stolze

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