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Königskinder

Königskinder

Titel: Königskinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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Summe Geld verdient, von der ich aufgrund einer mietfreien Wohnung und der absoluten Abwesenheit von Leidenschaften und Hobbys kaum etwas ausgegeben hatte. Stattdessen hatte ich einen Großteil des Geldes äußerst gewinnbringend angelegt.
    Wir befanden uns am Beginn des Aktienbooms. Als 1996 die Telekom an die Börse ging und das Gros der Deutschen Manfred Krugs Empfehlung folgte, in ebendieses Wertpapier zu investieren, hatte ich mir den Markt etwas genauer angeschaut und einige Energie darauf verwandt, die Mechanismen des Aktiengeschäfts zu begreifen, um nicht die naheliegenden Fehler zu begehen. Das Erste, was ich begriff, war, dass Logik auf der Spielwiese des großen Geldes keinen Platz hatte. Das Zweite, was ich begriff, war, dass man extrem kurzfristig denken, radikal reagieren und sehr genau die Wirtschaftsseiten des Handelsblatts studieren musste. All das tat ich. Und ich machte auf diese Art reichlich Kohle. Fast die komplette Summe benutzte ich dafür, mir den Resthof in Brandenburg zu kaufen und ihn von lokalen Handwerkern aufwendig restaurieren zu lassen. Ich selbst besaß das handwerkliche Geschick des Tollpatsch-Schlumpfes und versuchte deshalb gar nicht erst, auch nur einen Dachbalken zu stabilisieren. Ich war und bin eben Theoretiker. Ich dirigierte deshalb alle Arbeiten per Telefon und Post von Hamburg aus. Nachdem die Renovierungsarbeiten abgeschlossen waren, konnte ich nun auf meinen Hof ziehen.
    An diesem Abend verabschiedete ich mich von meinen beiden besten Freunden. Nun ja, um ehrlich zu sein: Ich verabschiedete mich von meinen beiden einzigen Freunden. Vielleicht hatte ich es auch deswegen nicht übers Herz gebracht, ihnen vorher etwas von meinen Plänen zu verraten und sie jetzt vor vollendete Tatsachen zu stellen.
    »Ja, aber was genau willst du denn da machen?«, hakte Sophie noch einmal nach.
    »Kleinere Architektur-Sachen«, erklärte ich. »Nichts Großes. Wenn die Leute in der Gegend ihre Ställe umbauen wollen oder so. So etwas kann ich denen planen. Und vielleicht gebe ich Mathe-Nachhilfe.«
    »Wie bitte?«, fragte Sophie.
    »Ja«, sagte ich. »Gibt doch bestimmt haufenweise schlechte Schüler da. Und für einen Zehner pro Stunde …«
    Die beiden starrten mich an, als hätte ich völlig den Verstand verloren.
    »Ey, du bist voll das Obergenie und jetzt willste da irgendwelchen Kiddies bei den Schularbeiten helfen?«, rief Hassan.
    »Hassan hat recht«, stimmte Sophie zu. »Das ist doch Perlen vor die Säue werfen!«
    Ich zuckte mit den Schultern. Tatsächlich fand ich die Vorstellung ganz hübsch, in Kindern Begeisterung für die Schönheiten der Zahlenwelt zu wecken. Und dass ich den Großteil meines Geldes weiterhin mit kleinen, schnellen Börsentransaktionen zu generieren gedachte, behielt ich für mich. Das war mir irgendwie peinlich. Das war ein scheußlicher Rest MacMoneysac-Verhalten, den ich noch nicht abgeschüttelt hatte.
    Hassan öffnete gerade wieder den Mund, um mir zweifelsohne in einer neuen Formulierungsvariante vorzuwerfen, dass mein geplanter Umzug in die ostdeutsche Provinz eine Scheißidee sei. Ich wechselte deshalb eilig das Thema. Ich hatte keine Lust mehr, über meine Zukunft zu diskutieren, weil ich keine Ahnung hatte, wie meine Zukunft aussehen würde. Das war ja das Schöne an meiner Zukunft. Sie war eine Wundertüte! Eine hoffentlich prall gefüllte Wundertüte.
    »Und ihr«, sagte ich also. »Was gibt’s bei euch Neues?«
    Hassan und Sophie schauten sich an. Hassan grinste, Sophie schaute ein ganz klein wenig zögernd drein. Doch dann sagte sie mit der neuen, festen Stimme, die sie sich angewöhnt hatte, seit sie mit Hassan zusammen war: »Ich bin schwanger.« Ihre leuchtenden Augen verrieten mir, dass sie über ihren Zustand sehr glücklich war.
    Für einen kurzen Moment spürte ich einen eifersüchtigen und wehmütigen Stich im Herz. Schließlich sah es lange so aus, als wäre ich der Mann, den sie anstrahlen würde, nachdem sie ihre bevorstehende Mutterschaft ankündigte. Lange sah es so aus, als würde ich Sophie ein Kind machen dürfen. Doch der kurze Stich ließ schnell nach, und an die Stelle der Eifersucht trat aufrichtige Freude.
    »Ich gratuliere!«, sagte ich, und umarmte meine beiden Freunde nacheinander. Ich legte eine Hand auf Sophies Bauch (ich war der einzige Mann auf diesem Planeten, der sich das erlauben durfte, ohne von Hassan eine Maulschelle zu kassieren) und spürte tatsächlich eine leichte Wölbung.
    »Vierter Monat«, sagte

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