Königskinder
Sophie, und es sah aus, als würde sie leuchten. Als hätte sie Glühwürmchen verschluckt, die hinter ihren Augen nun für zusätzlichen Glanz sorgten.
»Wenn es ein Junge wird, nennen wir ihn Mohammed«, grinste Hassan.
»Echt?«, fragte ich erstaunt. »Aber du bist doch gar kein gläubiger Moslem. Warst du überhaupt jemals in einer Moschee?«
»Selten«, gab Hassan zu. »Aber stell dir mal vor, wenn Walter gefragt wird, wie sein Enkelkind heißt, und er muss Mohammed antworten!« Er grinste breit und hämisch bei dieser Vorstellung.
Sophie stieß ihm in die Rippen. »Nun lass doch mal meinen Vater in Ruhe!«
»Oder wir nennen ihn Atatürk«, grinste Hassan. »Irgendein Name, den der Alte sich richtig rausquälen müsste.«
»Weiß Walter denn schon, dass er Großvater wird?«, fragte ich.
Sophie schüttelte den Kopf.
»Und deine Eltern?«, fragte ich Hassan.
Auch er verneinte. »Die haben sich gerade erst daran gewöhnt, dass ich eine Deutsche liebe. Wenn sie hören, dass sie schwanger ist, wollen sie garantiert, dass wir sofort heiraten!«
Ich schaute Sophie an. Ich sah in ihren Augen, dass sie Hassan glückstrahlend um den Hals fallen würde, wenn er ihr einen Antrag machen sollte.
»Aber das ist doch voll spießig, oder, Süße?«, sagte mein Kumpel zu Sophie, und sie nickte halbherzig. Sie war Realistin.
»Vielleicht heiraten wir später«, sagte Hassan. »Wenn es keiner von uns verlangt. Ich lasse mir eben nicht gern Befehle geben.« Er winkte dem Kellner zu und bestellte noch zwei Bier.
Ich konnte es nun weniger denn je erwarten, wegzuziehen. Ich wollte keine Babygeschichten von Hassan und Sophie hören. Ich wollte nicht mehr an Walter erinnert werden. Ich wollte nicht mehr zum selben Italiener gehen und dieselben Pastagerichte bestellen. Ich wusste nicht, was ich stattdessen wollte. Aber anders war in diesem Moment das verheißungsvollste Wort der Welt für mich.
*
Natürlich landete ich in Berlin dann doch wieder in einer WG. Zum einen aus finanziellen Gründen – es war einfach billiger, ein Zimmer zu finanzieren als eine ganze Wohnung –, zum anderen packte mich die nackte Angst, nachdem ich einige kleine Wohnungen in Kreuzberg und Charlottenburg besichtigt hatte. Ich stellte mir vor, wie ich in einem dieser Wohnwürfel mutterseelenallein hocken und meine Abende stumpfsinnig vor der Glotze verbringen würde. Ich hasse Stille.
Die WG, in der ich Unterschlupf fand, war klein und sie bestand – was sich besonders erfreulich bei der Toilettenhygiene bemerkbar machte – ausschließlich aus Frauen. Außer mir lebten in der hübschen Dreieinhalbzimmer-Altbauwohnung noch Ina, die als Krankengymnastin arbeitete und mich mindestens zwanzigmal am Tag ermahnte, ich solle beim Bücken in die Knie gehen, weil ich sonst spätestens mit vierzig ernsthafte Rückenprobleme bekäme, und Francesca.
Francesca machte freiberuflich Film- und TV-PR. Sie organisierte zum Beispiel Pressevorführungen von aktuellen Fernseh- und Kinofilmen oder betreute Journalisten bei Interviews und Drehberichten. Francesca kannte alle möglichen berühmten Leute, und ich fand es superspannend zu erfahren, dass der coole Macho-Schauspieler in Wirklichkeit total lieb und höflich sei und dass die niedliche Frau aus der erfolgreichen TV-Serie ganz schön die paranoide Zicke raushängen ließ.
Francescas Berichte von der Filmfront waren so schillernd und spannend und klangen nach so viel Abwechslung, dass ich mich zu fragen begann, ob das nicht womöglich der Lebensplan sei, den ich schmieden sollte. Ich hatte Filme immer schon gemocht, und ich hatte echt Lust, mich mit diesem Medium zu beschäftigen.
Tatsächlich konnte mir Francesca einen Job als Set Trainee bei einem Fernsehfilm ergattern: Schwester Jutta – Ein Leben für die Wörter handelte von einer resoluten Nonne, die in einem kleinen Dorf eine Schule für legasthenische Kinder aufbauen will. Ich habe beim Lesen des Drehbuchs ein paarmal herzhaft gelacht (und zwar ausschließlich an Stellen, die mir eigentlich Tränen der Rührung in die Augen hätten treiben sollen) und war mir sehr wohl der Tatsache bewusst, dass ich helfen würde, einen schlimmen Schmalzfilm herzustellen. Doch ein Einstieg ist ein Einstieg, oder?
Ein Set Trainee, lernte ich, war nichts anderes als ein nur symbolisch bezahlter Praktikant, der am Drehort für Hiwi-Arbeiten aller Art ausgebeutet wurde. Es war der mehr oder weniger unumgängliche erste Schritt auf der Filmkarriere-Leiter. Und
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